Full text: [2 = Mittlere Lehrstufe, [Schülerband]] (2 = Mittlere Lehrstufe, [Schülerband])

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V. Geographische Schilderung, Reisebeschreibung. 
kein Blick zum Himmel und Lichte freigelassen. Es werden wohl nicht alle Ge¬ 
fangenen, von denen die Geschichte der Feste erzählt, stets in diesem unterirdischen 
Turme gelegen sein; aber doch mag seine Schauer ein jeder derselben auf kürzere 
oder längere Zeit empfunden haben. Und dieser Gefangenen waren nicht wenige. 
Besonders hatte Kaiser Heinrich VI. die Kerker auf Trifels bevölkert. Da saßen 
viele der meuterischen Großen Italiens; die Krone aller Gefangenen war Albivns 
ritterlicher Held Richard Löwenherz. Der hat vor allen andern dem Trifels 
seine romantische Bedeutung gegeben. Richard, die Blume des Rittertums seiner 
Zeit, der abenteuerliche Held, der vor den Mauern Joppes den Ruhm des Sultans 
Saladin verdunkelte; Richard, von dem die alten Lieder und Mären unerschöpf¬ 
lich singen und sagen wie von einem Arthur und Roland, saß hier gefangen, um in 
seinem taten- und gefahrreichen Leben alles zu vereinen, was das Rittertum Müh¬ 
seliges, Abenteuerliches und Romantisches hatte. Wie Löwenherz durch seinen 
unwürdigen Nebenbuhler, den Herzog Leopold von Österreich, gefangen worden, 
als er, durch einen Seesturm an Dalmatiens Küste verschlagen, im Pilgerkleide 
durch des Herzogs Lande zog und in einer armen Hütte übernachtete, das ist bekannt. 
Kaiser Heinrich VI. forderte ihn dem Herzog ab; aber statt ihn freizulassen, schleppte 
er ihn von dem Schlosse Dürrenstein (Thürnstein) an der Donau gefangen mit sich 
durch das Reich und setzte ihn zuletzt auf Trifels fest, um ein hohes Lösegeld von 
England zu erpressen. . 
Richard soll sogar eine Zeitlang die Schrecken des Verlieses verspürt haben; 
wenigstens will es die Sage so, welche die an sich schon poetische Geschichte mit 
ihrem duftigen Gewände noch romantischer bekleidet. Sie weiß nichts davon, daß 
der König auf einem Reichstage gegen schweres Lösegeld freigelassen wurde. Sie 
läßt ihn dem Kerker auf eine Weise entrinnen, wie sie eines ritterlichen Helden 
würdiger war. Blondel nämlich, sein treu ergebener Sänger, mit dem der König 
in der Heimat selbst die Kunst des Minnesangs gepflogen, zieht aus mit einigen 
Getreuen, um seinen Herrn zu suchen und aus der Haft zu befreien, sei's mit List, 
sei's durch Gewalt. Vor allen Burgen der Edlen läßt er seinen Gesang und sein 
Saitenspiel erschallen und forscht lange vergeblich nach dem geliebten Herrn. Da 
führt ihn der Zufall in dies waldige Tal vor den Sonnenberg, auf welchem der 
Trifels thront. Er hört, daß für ihn kein Einlaß zu hoffen sei, schleicht des Nachts 
um die Mauern und singt Lieder, die er einst in England mit seinem Könige ge¬ 
sungen. Richard hört ihn in seinem Kerker, antwortet mit demselben Liede, der 
glückliche Minstrel befreit ihn mit seiner Handvoll Leute in der Nacht, und der 
König zieht mit seinem ungebeugten Geiste ohne Gefährde bis ans Meer und in sein 
Jnselreich. Das ist echtes Gepräge der Sage; fünfzig Männer, die den Trifels 
stürmen — das klingt gewaltig wie die alte Zeit. Friedrich Bla ul.
	        
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