A. Erzählende Prosa.
I Fabeln und Parabeln
1. Der Frosch und die Maus.
Nach Äsop, verdeutscht von Martin Luther. Sämtliche Schriften.
Eine Maus wäre gern über ein Wasser gekommen und konnte nicht
und bat einen Frosch um Rat und Hilfe. Der Frosch war ein Schalk
und sprach zur Maus: „Binde deinen Fuß an meinen Fuß, so will ich
schwimmen und dich hinüberziehen." — Da sie aber aufs Wasser kamen,
tauchte der Frosch hinunter und wollte die Maus ertränken. Indem aber
die Maus sich wehret und arbeitet, fliegt eine Weihe daher und erhaschet
die Maus, zieht den Frosch auch mit heraus und frißt sie beide.
2. Der Fuchs und die Katze.
Von den Brüdern Grimm. Kinder- und Hausmärchen.
Es trug sich zu, daß die Katze in einem Walde dem Herrn Fuchse
begegnete, und weil sie dachte, er ist gescheit und wohlerfahren und gilt
viel in der Welt, so sprach sie ihm freundlich zu: „Guten Tag, lieber
Herr Fuchs, wie geht's, wie steht's? Wie schlagt Ihr Euch durch in dieser
teuern Zeit?" Der Fuchs, alles Hochmutes voll, betrachtete die Katze vom
Kopfe bis zu den Füßen und wußte lange nicht, ob er eine Antwort geben
sollte. Endlich sprach er: „O, du armseliger Bartputzer, du buntscheckiger
Narr, du Hungerleider und Mäusejäger, was kommt dir in den Sinn?
Du unterstehst dich zu fragen, wie mir's gehe? Was hast du gelernt?
Wie viel Künste verstehst du?" — „Ich verstehe nur eine einzige," antwortete
bescheidentlich die Katze. „Was ist das für eine Kunst?" fragte der Fuchs.
„Wenn die Hunde hinter mir her sind, so kann !ich auf einen Baum springen
und mich retten." — „Ist das alles?" sagte der Fuchs. „Ich bin Herr über
hundert Künste und habe überdies noch einen Sack voll Listen. Du jam¬
merst mich, komm mit mir, ich will dich lehren, wie man den Hunden
entgeht."
Indem kam ein Jäger mit vier Hunden daher. Die Katze sprang
Hellwtg und Hirt, deutsches Lesebuch, V. 1