Full text: Für Klasse IV und III (6tes und 7tes Schuljahr) (Teil 3, [Schülerband])

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„Die Weiber mögen abziehn, und jede habe frei, 
Was sie vermag zu tragen und ihr das Liebste seil 
15 Laßt ziehn mit ihrer Bürde sie ungehindert fort!" 
Das ist des Königs Meinung, das ist des Königs Wort. 
Und als der frühe Morgen im Osten kaum gegraut, 
Da hat ein seltnes Schauspiel vom Lager man geschaut: 
Es öffnet leise, leise sich das bedrängte Thor, 
20 Es schwankt ein Zug von Weibern mit schwerem Schritt hervor. 
Tief beugt die Last sie nieder, die aus dem Nacken ruht, 
Sie tragen ihren Ehherrn, das ist ihr liebstes Gnt. 
„Halt an die argen Weiber!" ruft drohend mancher Wicht; 
Der Kanzler spricht bedeutsam: „Das war die Meinung nicht." 
25 Da hat, wie ers vernommen, der fromme Herr gelacht: 
„Und war es nicht die Meinung, sie Habens gnt gemacht; 
Gesprochen ist gesprochen, das Königswort besteht, 
Und zwar von keinem Kanzler zerdeutelt und zerdreht." 
So war das Gold der Krone wohl rein und unentweiht. 
30 Die Sage schallt herüber aus halbvergessner Zeit. 
Im Jahr elfhundertvierzig, wie ichs verzeichnet fand, 
Galt Königswort noch heilig im deutschen Vaterland." 
Adelbert von Chamisso. 
5. Iugendlehren. 
Niemand zwingt mit Ruten 
Kindes Zucht zum Guteu. 
Deu zu Ehr man bringen mag, 
Treffen Worte lute ein Schlag. 
5 Worte treffen wie ein Schlag, 
Den zu Ehr man bringen mag, 
Kindes Zucht zum Guten 
Niemand zwingt mit Ruten. 
Hütet eure Zungen, 
io Das ziemt wohl den Jungen. 
Schiebt den Riegel vor die Thür, 
Laßt kein böses Wort herfür. 
Laßt kein böses Wort herfür, 
Schiebt den Riegel vor die Thür. 
Das ziemt wohl den Jungen: 
Hütet eure Zungen. 
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