Full text: [Abteilung 1 = Sexta, [Schülerband]] (Abteilung 1 = Sexta, [Schülerband])

Kletke: Der freigebige Rübezahl. Wie Rübezahl Holz fahren hilft. 31 
IV. Sagen. 
a) Deutsche Sagen. 
23. Der freigebige Rübezahl. (Aus Schlesien.) 
Von Hermann Kletke. Das Buch von Rübezahl. Breslau, 1852. 
Eine arme alte Frau, welche nach Kräutern und Wurzeln suchte, 
verirrte sich dabei im Walde. Da begegnete ihr der Berggeist in Ge¬ 
stalt eines Jägers; den bat die Frau, er möge ihr doch den rechten Weg 
sagen, damit sie rasch nach Hause komme und die Wurzeln zu Gelde 
mache; denn sie habe noch kleine Kinder daheim, die schon etliche Tage 
kein Brot gegessen. Der Jäger cntgegnete: „Die Wurzeln sind dir zu 
schwer, wirf sie weg; ich will dir ein Laub weisen, das nimm und trag 
es in die Stadt, es wird dir mehr bringen als die schweren Wurzeln". 
Aber die Frau wollte nicht, sondern behielt ihre Wurzeln. Da sprach 
der Jäger wiederum, indem er auf einen Strauch wies, von diesem 
solle sie Laub mitnehmen, das werde ihr nützlicher sein als die Wur¬ 
zeln; er streift ihr auch von dem Laube ab und thut es in den Korb. 
Die arme Frau dankt und geht fort, denkt aber bei sich: was soll dir 
das Laub? und schüttet es fort. Als sie nach Hause kommt und die 
Wurzeln herausnimmt, kleben noch etliche Blättlein von dem Laub am 
Korbe; diese weist sie den Leuten im Hause und sagt, es hätte ihr solche 
ein Jäger im Walde gegeben, sie sollte sie mitnehmen. Während sie 
so davon redet, werden die Blättlein alle zu Gold, und ist jedes Blatt 
ein Dukaten gewesen. Die gute Frau, in dem Glauben, sie wisse die 
Stelle noch wohl, wo sie die andern ausgeschüttet, geht hin und sucht, 
findet jedoch weder Ort noch Blätter. Wenn sie behalten hätte, was ihr 
der Berggeist gab, sie wär' eine reiche Frau geworden. So ist manchem 
ein Glück beschert gewesen, das er leichtsinnig wieder verscherzt hat. 
24. Wie Rübezahl Holz fahren hilft. (Aus Schlesien.) 
Von Hermann Kletke. Das Buch von Rübezahl. Breslau, 1852. 
Ein armer Bauersmann hatte sich ein wenig Holz im Gebirge zu¬ 
sammengelesen, in Hoffnung solches bei guter Schneebahn bequem hin¬ 
unterzubringen. Da der Winter aber strenge war und dabei wenig 
Schnee siel, mußte er mit Weib und Kindern große Kälte ausstehen. 
In solcher Not ging er in den Busch, um viel oder wenig Holz, so 
gut es ihm möglich sei, nach Hause zu schaffen. Wie er so recht in 
Gedanken dastand und keinen Rat wußte, das Holz den Berg hinunter¬ 
zubringen, kam unverhofft ein Mann mit einem Schlitten auf ihn zu 
und fragte, was ihm fehle. Der Bauer klagte seine Not. „Seid ohne 
Sorge," entgegnete Rübezahl — denn dies war der andere — „helft 
nur das^Holz auf den Schlitten packen, dann will ich Euch hinunter¬ 
helfen". Da luden sie beide Schlitten, Rübezahls und des Bauern,
	        
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