I. Religion.
4.
93
8. Das Christenlum und der römische Staat.
Von G. Uhlhorn.
„Der Kampf des Christentums mit dem Heidentum.“ Stuttgart 1879.
„Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf
Erden. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert“,
hat der Herr gesprochen. Er hat es seinen Jüngern nicht verhehlt, welch
ein Kampf ihrer wartete, ein Kampf auf Leben und Tod. „Ihr müsset
gehasset werden von jedermann um meines Namens willen. Sie werden
die Hände an euch legen und euch verfolgen, euch überantworten in ihre
Schulen und Gefängnisse, und wer euch tötet, wird meinen, er tue Gott
einen Dienst daran.“ Es konnte nicht anders sein. Niemals im ganzen
Laufe der Weltgeschichte stoßen zwei Gegensätze schärfer aufeinander als
das Christentum und das antike Heidentum, die christliche Kirche und der
römische Staat. Es ist der Gegensatz des von unten her und von oben
her, der natürlichen Entwicklung und der neuen Schöpfung, dessen, der aus
dem Fleisch geboren ist, und dessen, der aus dem Geist geboren ist, und
dahinter steht nach der Schrift der Gegensatz des Fürsten dieser Welt und
des Herrn vom Himmel.
Friedlich können diese beiden Mächte nicht nebeneinander bestehen; es
muß zum Kampfe kommen, und der Kampf muß ein Kampf auf Leben und
Tod werden. Hier ist jede Möglichkeit eines Vertrages ausgeschlossen.
Dieser Kampf kann wohl einmal durch Waffenstillstand unterbrochen werden,
enden kann er nur mit der Überwindung der einen oder der anderen Macht.
Das Christentum tritt als absolute Religion auf, als göttliche Offenbarung,
als unbedingte Wahrheit und macht Anspruch darauf, die Religion aller
Völker zu werden, weil es das Heil für alle bringt. Eine Religion neben
anderen, die hätten die Heiden dulden können, wie sie so viele Religionen
duldeten, die absolute Religion nicht. Abweichende Ansichten von Gott und
göttlichen Dingen hätte man gewähren lassen können, die unbedingte Wahr—
heit, die eben, weil sie die Wahrheit ist, alles andere als Unwahrheit aus—
schließt, nicht. Eine neue Religion für ein einzelnes Volk, die hätte keinen
Anstoß gegeben, die würde man anerkannt haben, so gut man so mannig—
faltige heidnische Kulte, so gut man auch das monotheistische Judentum an—
erkannte, eine Weltreligion konnte man nicht anerkennen. Der Kampf ist
ein Kampf um nichts Geringeres als um die Weltherrschaft. Ein solcher
Kampf konnte nur in dem völligen Siege des einen oder anderen Teiles
seinen Abschluß finden.
Urteilen wir nicht ungerecht über die Kaiser, welche die Christen ver—
folgten, über die Richter, welche ihnen das Todesurteil sprachen; machen
wir aus ihnen nicht, wie es die späteren Märtyrersagen (nicht die alten
echten Märtyrerakten, so viele ihrer uns erhalten sind) tun, fanatische und
blutdürstige Wüteriche. Die Richter handeln nur den bestehenden Gesetzen
gemäß und tun das in den bei weitem meisten Fällen kühl, ruhig, ohne