Zum Geleit.
€s ist mit Freuden zu begrüßen, daß die neue Lehrordnung für die
bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalten endlich gebrochen hat
mit der so verderblichen Weise, den Unterricht in der Literaturkunde
an der Hand literaturgeschichtlicher Leitfäden zu erteilen.
Dem ödesten Verbalismus wurden bislang allzugroße Opfer gebracht.
Worte, Worte, nichts als Worte traten dem Schüler entgegen, die mit
begrifflichem Inhalte zu erfüllen der gewissenhafte Lehrer sich vergebens abmühte.
Verflachendes Vielerlei kann nimmer als wertvoller Beitrag
gellen zur Bildung des Geistes und Herzens! Wahre literarische Bildung gründet
sich nur auf vertiefendes Studium in die Meisterwerke
unserer Nationalliteratur!
Darum wurde in dem vorliegenden Buche — im Sinne der mini¬
steriellen Vorschriften vom 2. August 1912 — alles ausgeschieden, was als
überflüssiger Ballast erscheinen muß. Zeit und Raum wurde dadurch ge¬
wonnen für die eingehendere Beschäftigung mit Wertvollem, für die
wahre Bildung Unentbehrliches.
Mb es mir gelungen ist, eine für die Schüler der I. Seminarklasse zweck¬
entsprechende Auswahl und Anordnung des literaturkundlichen Stoffes
zu treffen, darüber mögen die Fachgenossen entscheiden — entscheiden auf Grund
der praktischen Durcharbeitung des hier gebotenen Lesestoffes?)
Fruchtbringend kann derselbe nur werden in Anlehnung an die
Lektüre der klassischen Denkmäler unserer National¬
literatur. Grimms Märchen, Nibelungenlied, Gudrun, Heliand, parzival,
die Minnesänger u. a. müssen für den I. Seminarkurs in guten Bearbeitungen
den Mittelpunkt der Schul- und Privatlektüre abgeben. Anknüpfend
an sie werden dann die im Lesebuche erörterten literarhistorischen Fragen
Interesse und Verständnis gewinnen.
*) Die Nummern des letzten Abschnittes sind zum Teil für den II. Seminarkurs
bestimmt.