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Romantische Schule: Eichendorfs.
7. Morgengebet.
O wunderbares, tiefes Schweigen,
Wie einsam ist's noch auf der Welt!
Die Wälder nur sich leise neigen.
Als ging' der Herr durchs stille Feld.
Ich fühl' mich recht tvie neu
geschaffen,
Wo ist die Sorge nun und Not?
Was mich noch gestern wollt'
erschlaffen,
Ich schäm' mich dess' im Morgenrot.
Die Welt mit ihrem Gram und Glücke
Will ich, ein Pilger, froh bereit
Betreten nur tvie eine Brücke
Zu dir, Herr, übern Strom der Zeit.
Und buhlt mein Lied, auf Weltgunst
lauernd,
Um schnöden Sold der Eitelkeit:
Zerschlag mein Saitenspiel, und
schauernd
Schweig' ich vor dir in Ewigkeit.
8. Nachtlied.
Vergangen ist der lichte Tag,
Von ferne kommt der Glocken Schlag;
So reist die Zeit die ganze Nacht,
Nimmt manchen mit, der's nicht gedacht,
Wo ist nun hin die bunte Lust,
Des Freundes Trost und ireue Brust,
Des Weibes süßer Augenschein?
Will keiner mit mir munter sein?
Da 's nun so stille auf der Welt,
Zieh'n Wolken einsam übers Feld,
UndFeld und Baum besprechen sich, —
O Menschenkind! was schauert dich?
Wie weit die falsche Welt auch sei.
Bleibt mir doch einer nur getreu,
Der mit mir weint, der mit mir wacht.
Wenn ich nur recht an ihn gedacht.
liebe Nachtigall,
Frisch auf denn,
Du Wasserfall mit Hellem Schall!
Gott loben wollen nur vereint,
Bis daß der lichte Morgen scheint.
!). Mondnacht.
Es war, als hätt' der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt'.
Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht.
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande
Als flöge sie nach Haus.