Annette von Droste-Hülshoff.
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Das Eichhorn blafft von Zweig zu Zweig,
Am Sumpfe läuten Unk' und Grillen —
Wie Schauer überläuft's mich dann,
Als hör' ich klingeln noch die Schellen,
Im Walde die Diana bellen
Und pfeifen noch den toten Mann.
9. Im Moose.
Als jüngst die Nacht dem sonnenmüden Land
Ter Dämmrung leise Boten hat gesandt,
Da lag ich einsam noch in Waldes Moose.
Tie dunklen Zweige nickten so vertraut,
An meiner Wange flüsterte das Kraut,
Unsichtbar duftete die Heiderose.
Und flimmern sah ich durch der Linde Raum
Ein mattes Licht, das im Gezweig der Baum
Gleich einem mächt'gen Glühwurm schien zu tragen.
Es sah so dämmernd wie ein Traumgesicht,
Doch wußte ich, es war der Heimat Licht,
In meiner eignen Kammer angeschlagen.
Ringsum so stick, daß ich vernahm im Laub
Der Raupe Nagen, und tute grüner Staub
Mich leise wirbelnd Blätterflöckchen trafen,
Ich lag und dachte, ach! so manchem nach,
Ich hörte meines eignen Herzens Schlag,
Fast war es mir, als sei ich schon entschlafen.
Gedanken tauchten aus Gedanken auf,
Das Kinderspiel, der frischen Jahre Lauf,
Gesichter, die mir lauge fremd geworden;
Vergeßne Töne summten um mein Ohr,
Und endlich trat die Gegenwart hervor,
Ta stand die Welle, wie an Ufers Borden.
Tann, gleich dein Bronnen, der verrinnt im Schluird
Und drüben tvieder sprudelt ans dem Grund,
So stand ich plötzlich in der Zukunft Lande;
Ich sah mich selber, gar gebückt und klein,
Geschwächten Auges, am ererbten Schrein
Sorgfältig ordnen staub'ge Liebespfande.
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