Full text: Für die Oberstufe der Lehrerseminare sowie zur Fortbildung für Lehrer (Band 4, [Schülerband])

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Der Mai. 
Poetische Werlke. Hamburg 1760. Bd. III. 
Der Nachtigal reizende Lieder Nun heben sich Binsen und Keime, 
Ertönen und locken schon wieder Nun kleiden die Blätter die Bäume, 
Die fröhlichsten Stunden ins Jahr. Nun schwindet des Winters Gestalt; 
Nun singet die steigende Lerche, Nun rauschen lebendige Quellen 
Nun klappern die reisenden Störche, Und tränken mit spielenden Wellen 
Nun schwatzet der gaukelnde Staar. Die Triften, den Anger, den Wald. 
Wie munter sind Schäfer und Herde, Wie buhlerisch, wie so gelinde 
Wie lieblich beblümt sich die Erde! Erwärmen die westlichen Winde 
Wie lebhaft ist jetzo die Welt! Das Ufer, den Hügel, die Gruft! 
Die Tauben verdoppeln die Küsse, Die jugendlich scherzende Liebe 
Der Ent'rich besuchet die Flüsse, Empfindet die Reizung der Triebe, 
Der lustige Sperling sein Feld. Empfindet die schmeichelnde Luft. 
Wie gleichet doch Zephyr der Floren! Nun stellt sich die Dorfschaft in Reihen 
Sie haben sich weislich erkoren, Nun rufen euch eure Schalmeien, 
Sie wählten den Wechsel zur Pflicht. Ihr stampfenden Tänzer! hervor. 
Er flattert um Sprossen und Garben; Ihr springet auf grünender Wiese 
Sie liebet unzählige Farben; Der Bauernknecht hebet die Liese 
Und Eifersucht trennet sie nicht. In hurtiger Wendung empor. 
Nicht fröhlicher, weidlicher, kühner 
Schwang vormals der braune Sabiner 
Mit männlicher Freiheit den Hut. 
O reizet die Städte zum Neide, 
Ihr Dörfer voll hüpfender Freude! 
Was gleichet dem Landvolk an Muth. 
Siehe auch: Bd. I Nr. 22 (Johann, der muntere Seifensieder), — Bd. II, Nr. 122 a u. 
(Zwei Fabeln: Der Fuchs ohne Schwanz — Der Hahn und der Fuchs) 
62. Johann Jakob Bodmer. 
Geb. am 19. Juli 1698 zu Greifensee bei Zürich — Rathsherr, stirbt den 2. Januar 1783 zu 
Zürich. Berühmt als Reformator der deutschen Literatur durch seinen Streit mit Gottsched, burch 
seine Ausgaben des Nibelungenliedes, der Manessischen Sammlung der Minnesänger ꝛc. 
63. Johann Christoph Gottsched. 
Geb. 1770 zu Judithenkirch bei Königsberg, 1714 Student in Koönigsberg, flüchtet 1724 v 
preußischen Werbern nach Leipzig, wird Vorsteher der „Leipziger deutschen Gesellschaft“, Professo 
der Poesie und Philosophie, süirbt 1766. Macht dem Lohenstein'schen Geschmack ein Ende, bri 
die griechische, römische und die altdeutsche Klassik zur Geltung, tritt der herrschenden Sprachmengen 
und der lateinischen Schulpoesie entgegen und weckt in weiten Kreisen das Interesse für deutsche * 
und Literatur, reinigt das Theater und befreit es vom Hanswurst. Regeln für die Dichtluns 
Die französische Poesie und Literatur war sein Ideal; übersetzt mit seiner Frau Luise Welgund 
geb. Calmus französische Dramen ins Deutsche. Seine eigenen Dramen („Der sterbende Cato“ u. a 
ohne Poesie. Jahrzehnte lang despotischer Herrscher über Geschmack und Lteratur. Durch feinen 
Streit mit dem Schweizer Bodmer und sein Auftreten gegen Klopstock verlor er alles Ansehn und 
starb verachtet und vergessen. 
Ueber den Hanswurst in der Komödie. 
Nleine Geister, die keine Einsicht in die Moral besitzen und das ungereiutt⸗ 
Wesen in den menschlichen Handlungen weder wahrnehmen noch satyrisch vorstellen 
können, haben, anstatt das Lächerliche in den Sachen zu suchen, dässelbe in närrischen
	        
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