Full text: Von Goethe bis zur Gegenwart (Band 2, [Schülerband])

felix Dahn. 
¿'S) 
6in alemannisches Heeräing. 
Den Helm auf dem Haupt und vollgerüstet, trat der Herzog 
Hariowald aus seinem Zelt und winkte einem der Fronboten, welche 
hier stets seines Gebotes warteten. Der ergriff das lange, gekrümmte 
Horn des Anerstiers, das an einem Zeltpfosten bereit hing, und stieß 
dreimal darein. Ein weithin dröhnender Ruf erscholl. Alsbald eilten 
die übrigen Fronboten, weiße Eschenstäbe in den Händen, mit kleineren 
Hörnern, welche sie an Riemen über der Schulter trugen, nach allen 
Richtungen von der Kuppe des Weihberges nieder, durch alle Stock¬ 
werke der Ringwälle hinab, bis an die äußersten Verhacke hin den 
Ruf des Herzogs tragend. 10 
Da strömten von allen Seiten die Heermänner in ihren Waffen 
herbei und stiegen eilfertig die Berghänge hinan; nur die unerläßlichen 
Wacheir blieben zum Schutze der Sumpffurten, der Verhacke, der 
schmalen Zugänge der Ringwälle zurück. Alles drang bergaufwärts 
und brauste, sowie die Kuppe erstiegen war, zusammen gegen eine 
mächtige Esche, welche von dem Scheitel der höchsten Bergspitze ihren 
Wipfel in die Wolken hob. Hart au ihrem Stamm war eine Art 
von Richterstuhl gefügt aus großen Felsplatten; eine längliche lehnte 
im Rücken gegen den Baum, eine ebenso lauge, wagerecht über zwei 
m die Erde gerammte Kniesteine gelegt, bildete den Sitz; mehrere 20 
Steinstufen führten zu dem Hochsitz empor. . . . 
Noch hatte sich der Herzog nicht niedergelassen; vielmehr stand 
er aufrecht auf der wagerechteu Platte und musterte, den Speer in 
der Rechten, das von allen Seiten herauf- und heranflutende Heer¬ 
volk. (Süi gewaltiger, länglicher, fast mannshoher Schild, rot, mit 
eingeritzten schwarzen Runen, hing an einem Zweige der Esche ihm 
über dem Haupt. 
Die ganze Hochfläche der Kuppe rings um den Baum war um¬ 
friedet und umhegt von „Schnüren und Stäben," das heißt von 
Hafelstäben und Speeren, welche — diese die ehernen Spitzen nach 30 
Martin, Deutsches Lesebuch. II. 37
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.