Full text: Von Goethe bis zur Gegenwart (Band 2, [Schülerband])

ßgJ(2Sl(22![2glßS](22)(22]ßs]l22) Bildung. E2 ߣ) t§£) gfl t§£) SS ga 877 
Lebenskreisen und Lebensinhalten eingeschlossen, zu Religion nnd 
Dichtung, zu Wissenschaft und Kunst, zu Berns und öffentlichem 
Leben, zu Sitte und Brauch. Gebildet ist, wer mit klarem Blick 
und sicherm Urteil zu den Gedanken und Ideen, zu den Lebens¬ 
formen und Bestrebungen seiner geschichtlichen Umgebung Stellung 
zu nehmen weiß. 
Und nun können wir noch ein weiteres hinzufügen: innerhalb 
des einen Volkes treten wieder verschiedene Kreise mit verschiedenen 
Gestaltungen seines Lebensinhaltes auseinander. Die Verschiedenheit 
des Berufs, der gesellschaftlichen Stellung, des Geschlechts schaffen 
bedeutsame Verschiedenheiten der Lebensaufgabe. Ist nun Bildung 
die Fähigkeit zur verständnisvollen Teilnahme an dem gesamten Leben 
des Volkes, so wird sie der besonderen Aufgabe, die dem einzelnen 
im Gesamtleben gestellt ist, angemessen sein müssen; nicht Einförmig¬ 
keit, sondern Mannigfaltigkeit ist die Forderung. Etwas anderes 
bedeutet die Forderung der Bildung für die Frau als für den 
Mann, für den Gelehrten als für den Offizier oder den Bauer. Wahre, 
rechtschaffene Bildung werden wir jedem zuschreiben, der die Fähig¬ 
keit gewonnen hat, sich von dem Punkt aus, ans den er durch Natur 
und Schicksal gestellt ist, in der Wirklichkeit zurechtzufinden und sich 
eine eigene, in sich zusammenstimmende geistige Welt zu bauen, sie 
mag groß oder klein sein. Nicht die Masse dessen, was er weiß oder 
gelernt hat, macht die Bildung ans, sondern die Kraft und Eigen¬ 
tümlichkeit, womit er es sich angeeignet hat und zur Auffassung und 
Beurteilung des ihm Vorliegenden zu verwenden versteht. Wir werden 
also auch nicht Anstand nehmen, einen Bauern, der nie über die Volks¬ 
schule hinausgekommen ist und von Goethe und Schiller vielleicht nie 
den Namen gehört hat, trotzdem einen gebildeten Mann zu nennen, 
wenn er die Mittel, die ihm die Verhältnisse zu Gebote gestellt haben, 
mit Verstand benutzt hat, sich von der natürlichen und geschichtlichen 
Welt, in der er lebt, eine in sich einheitliche Anschauung zu bilden, 
und sich nun mit selbständigem Urteil in seinem Kreis zurechtfindet. 
Umgekehrt werden wir uns nicht abhalten lassen, einen Mann oder 
eine Frau, die von allen Dingen zu reden wissen, aber nur mit ge¬ 
lernten Redensarten und fremden Wörtern, ungebildet zu neunen, mühen 
sie von allen Bildungsanstalten und Prüfungskommissionen der Welt 
Bescheinigungen beibringen. Nicht der Stoff entscheidet über die 
Bildung, sondern die Form. 
Man sieht, wir kommen zu einem harten Widerspruch gegen den 
herrschenden Sprachgebrauch. Der Sprachgebrauch besteht vor allem 
190 
200 
210 
220
	        
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