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Aus Goethes Jugendzeit
im Hause war, trieb ich im Geräms mit meinen Schüsseln und Töpfen
mein Wesen, und da weiter nichts dabei herauskommen wollte, warf
ich ein Geschirr auf die Straße und freute mich, daß es so lhistig zerbrach.
Die von Ochsenstein, welche sahen, wie ich mich daran ergötzte, daß ich
so gar fröhlich in die Händchen patschte, riefen: Noch mehr! Ich säumte
nicht, sogleich einen Topf und auf immer fortwährendes Rufen: Voch
mehr! nach und nach sämtliche Schüsselchen, Tiegelchen, Kännchen gegen
das Pflaster zu schleudern. Meine Nachbarn fuhren fort ihren Beifall
zu bezeigen und ich war höchlich froh ihnen Vergnügen zu machen.
Mein Vorrat aber war aufgezehrt und sie riefen immer: Voch mehr!
Ich eilte daher stracks in die Küche und holte die irdenen Teller, welche
nun freilich im Zerbrechen noch ein lustigeres Schauspiel gaben; und
so lief ich hin und wieder, brachte einen Teller nach dem andern, wie
ich sie auf dem Topfbrett der Reihe nach erreichen konnte, und weil
sich jene gar nicht zufrieden gaben, so stürzte ich alles, was ich von
Geschirr erschleppen konnte, in gleiches Verderben. Nur später erschien
jemand zu hindern und zu wehren. Das Unglück war geschehen, und
man hatte für so viel zerbrochene Töpferware wenigstens eine lustige
Geschichte, an der sich besonders die schalkischen Urheber bis an ihr
Lebensende ergötzten.
Meines Vaters Mutter, bei der wir eigentlich im Hause wohnten,
lebte in einem großen Zimmer hinten hinaus, unmittelbar an der Hausflur,
und wir pflegten unsere Spiele bis an ihren Sessel, ja wenn sie krank
war, bis an ihr Bett hin auszudehnen. Ich erinnere mich ihrer gleichsam
als eines Geistes, als einer schönen, hagern, immer weiß und reinlich
gekleideten Frau. Sanft, freundlich, wohlwollend ist sie mir im Ge—
dächtnis geblieben.
Wir hatten die Straße, in welcher unser Haus lag, den Hirschgraben
nennen hören; da wir aber weder Graben noch Hirsche sahen, so wollten
wir diesen Ausdruck erklärt wissen. Man erzählte sodann, unser Haus
stehe auf einem Raum, der sonst außerhalb der Stadt gelegen, und da,
wo jetzt die Straße sich befinde, sei ehemals ein Graben gewesen, in
welchem eine Anzahl Hirsche unterhalten worden. Man habe diese Tiere
hier bewahrt und genährt, weil nach einem alten Herkommen der Senat
alle Jahre einen Hirsch öffentlich verspeiset, den man denn für einen
solchen Festtag hier im Graben immer zur Hand gehabt, wenn auch
auswärts Fürsten und Ritter der Stadt ihre Jagdbefugnis verkümmerten
und störten oder wohl gar Feinde die Stadt eingeschlossen oder be—
lagert hielten. Dies gefiel uns sehr und wir wünschten, eine solche
zahme Wildbahn wäre auch noch bei unsern Zeiten zu sehen gewesen.