Das Idyll zu Sesenheim
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„was ist das ? Du mit Georgen! Hand in Hand! Wie begreif' ich das ?“
— „Ciebe Schwester,“ versetzte Friederike ganz bedenklich, „der arme
Mensch, er bittet mir was ab, er hat dir auch was abzubitten, du mußt
ihm aber zum voraus verzeihen.“ — „Ich verstehe nicht, ich begreife
nicht,“ sagte die Schwester, indem sie den Kopf schüttelte und Weylanden
ansah, der nach seiner stillen Art ganz ruhig dastand und die Szene
ohne irgend eine Äußerung betrachtete. Friederike stand auf und zog
mich nach sich. „Nicht gezaudert!“ rief sie, „Dardon gebeten und gegeben!“
— „Nun ja!“ sagte ich, indem ich der Altesten ziemlich nahe trat, „DPardon
habe ich vonnöten!“ Sie fuhr zurück, tat einen lauten Schrei und wurde
rot über und über; dann warf sie sich aufs Gras, lachte überlaut und
wollte sich gar nicht zufrieden geben. Weyland lächelte behaglich und
rief: „Du bist ein exzellenter Junge!“ Dann schüttelte er meine Hand
in der seinigen.
Nach einiger Erholung und Sammlung traten wir unsern Rückweg
nach dem Dorfe an.
INam Sesenheim.
. Ich komme bald, ihr goldnen 2. Wir wollen uns zum Feuer
Kinder! setzen
Vergebens sperre uns der Winter Und tausendfältig uns ergetzen,
In unsre warmen Stuben ein. Uns lieben wie die Engelein.
3. Wir wollen kleine Kränzchen winden,
Wir wollen kleine Sträußchen binden,
Wir wollen kleine Kinder sein.
III. willkommen und Abschied.
. Es schlug mein Herz: geschwind 3. Dich sah ich und die milde Freude
zu Pferde! Floß von dem süßen Blick auf mich;
Es war getan, fast eh' gedacht. Ganz war mein Herz an deiner Seite
Der Abend wiegte schon die Erde Und jeder Atemzug für dich.
Und an den Bergen hing die Nacht; Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Schon stand im Vebelkleid die Eiche, Umgab das liebliche Gesicht
Ein aufgetürmter Riese, da, Und Zärtlichkeit für mich — ihr Götter!
Wo Finsternis aus dem Gesträuche Ich hofft' es, ich verdient' es nicht!
Mit hundert schwarzen Augen sah.
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2. Der Mond von einem Wolken—
hügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor;
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr;
Die VNacht schuf tausend Ungeheuer;
Doch frisch und fröhlich war mein Mut:
In meinen Adern, welches Feuer!
In meinem Herzen, welche Glut!
4. Doch ach, schon mit der Morgen⸗
sonne
Verengt der Abschied mir das Herz:
In deinen Küssen welche Wonne!
In deinem Auge welcher Schmerz!
Ich ging, du standst und sahst zur Erden
Und sast mir nach mit nassem Blick,
Und doch welch Glück geliebt zu wer—
den!
Und lieben, Götter, welch ein Glück!
Goethe.