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Der Sänger der Freiheit und des Vaterlandes
89. Der Sänger der Freiheit und des Vaterlandes.
In Schillers Gesängen wird jede Saite angeschlagen, die am leb—
haftesten in Jugendherzen wiederklingt: Liebe, Freiheit, Vaterland, Freude
und Trauer, Manneshoheit und Frauenwürde, Schuld und Sühne und
das hehre Walten ewiger Weltgesetze. Was seine Seele berührt, wird
im fühlenden Herzen erwärmt und ergießt sich wie ein lebendiger Strom
erhabener Gedanken im prachtvollen Rhythmus der herrlichen Sprache
würdevoll, doch durchsichtig und klar wie die ungetrübte Quelle in
jedes für das Schöne und Wahre empfängliche Herz. Frische und ewige
Jugend schmückt seine Dichtung, darum begeistert sie die Jugend. Über
alles Gemeine erhaben, reich an moralischem Kerne, veredelt sie den
Jüngling, erhebt sie das deutsche Weib, für welches das Lied von
der Frauenwürde nicht umsonst gesungen ist.
Schiller ist nationaler Dichter, nicht weil er in deutscher Sprache
geschrieben, sondern weil er deutsch gefühlt, deutsch gedacht hat. Er ist
einer der edelsten Repräsentanten des deutschen Volkscharakters. In seiner
Gefühlstiefe, Innigkeit und Herzenswärme, in seinem Mannesstolz, seinem
Durste nach Wahrheit und Erkenntnis, in seiner Freiheitsliebe wie in
seiner idealen Richtung und Weltbürgerlichkeit liegt der Grundtypus
des deutschen Geistes ausgeprägt. Eine Heldengestalt, erfüllt von dem
sittlich⸗religiösen Gehalte deutscher Nationalität, jeden geringen Stoff,
den sie berührt, in edles Gold verwandelnd, zu sich emporhebend,
was sich ihrem Anziehungskreise nähert, übt er in weiter Ferne eine
wirksame Propaganda deutscher Gesinnung und Gesittung.
Schiller ist einer der edelsten Freiheitssänger aller Zeiten.
Nicht Kriegslieder und Freiheitshymnen hat er angestimmt, aber durch
seine ganze Poesie weht der Geist der Freiheitsliebe; seine großartigsten
Dramen enthalten die Entwickelung der Freiheitsidee von der Jugend—
anschauung an bis zur Anschauung des reifen Mannes.
In den „Räubern“ ist die Freiheitsidee — jugendlicher Trotz,
Auflehnung gegen den Druck unnatürlicher, als unerträglich erachteter
Verhältnisse, sie ist eine zertrümmernde Kraft, aber sie weiß nichts
zu schaffen als das Verbrechen. — Im „Fiesko“ wird die Republik,
die ideale Staatsform der Jugendanschauung gegen den Despotismus
gerettet. Die Wachsamkeit des echten Republikaners wirft den Hoch—
verräter, der die Freiheit angetastet, fast am Ziele seines kühnen Staats—
streiches über Bord. — In „Don Carlos“ wird innerhalb der mon—
archischen Staatsform Volksrecht, Bürgerglück, Menschenwürde, Frei—
heit durch Einwirkung auf den Willen des Regenten erstrebt. Vicht
aus dem Blutbade der Revolution, aus dem freien Entschlusse des