Full text: [Band 3, [Schülerband]] (Band 3, [Schülerband])

234. Verschlafene Sorgen. 
Der Ursachen des Winterschlafes scheinen es hauptsächlich zwei zu 
sein, die zusammenwirken können, aber durchaus nicht immer müssen: 
die eine ist die herabgesetzte Temperatur und die andere der durch diese 
veranlaßte Mangel an Nahrung. Die Kälte vernichtet die einjährigen 
Pflanzen und versenkt die meisten perennierenden auch in einen Winter¬ 
schlaf. So nmß eine teilweise Pause im großen Stoffwechsel der Natur 
eintreten: der Mehrzahl der Pflanzenfresser ist mit der verschwundenen 
oder schlafenden Vegetation ihr Brot genommen, sie ist damit selbst zur 
Ruhe gezwungen. Und diese Ruhe der Vegetarier, der sie meist in sicheren 
Verstecken pflegen, nötigt wieder eine Reihe von Fleischfressern, einige 
Zeit von der Bühne des öffentlichen Lebens abzutreten, — aber bei weitem 
nicht alle. 
Ein gut Teil der allerlei Sämereien und lebende und tote animalische 
Kost genießenden Vögel und Säugetiere überwintert nicht in einem lethar¬ 
gischen Zustand. Und ich behaupte, daß kein Säugetier durch die Külte 
direkt zum Winterschlaf veranlaßt wird, sondern nur durch den Nahrungs¬ 
mangel bzw. durch die in seiner Organisation bedingte Unfähigkeit, etwa 
vorhandene Lebensmittel aufzusuchen. Die Fledermäuse, welche aus¬ 
schließlich auf den Fang fliegender Insekten angepaßt sind, halten sämtlich 
in kälteren Gegenden einen Winterschlaf, während die teilweise kleineren, 
aber auf, gelegentlich auch in dem Boden jagenden Spitzmäuse trotz ihrer 
Gefräßigkeit noch genügende Nahrung zu finden wissen, um munter zu 
bleiben. Auch der Maulwurf ist kein Winterschläfer; aber da beim Eintritt 
der kälteren Jahreszeit seine Beutetiere sich tiefer unter der Erde zurück¬ 
ziehen, so folgt er ihnen dorthin. Merkwürdig jedoch ist es, daß der Igel, 
unser ansehnlichster Insektenfresser, der noch dazu eine viel reichhaltigere 
Speisekarte als die bloß fleischfressenden Spitzmäuse hat, den größten Teil 
des Winters in Lethargie verbringt. 
Ähnliche Unterschiede finden wir unter den Nagetieren: der Ziesel 
und die Murmeltiere sind Winterschläfer vom reinsten Wasser; der Hamster 
schlummert nur an den kältesten Tagen, an denen selbst die Eichhörnchen 
sich in ihre eigenen Nester oder in die leerstehenden von Krähen und Raub¬ 
vögeln zurückziehen. Die kleineren Mäuse indessen sind immer auf dem 
Platze. Die Eichhörnchen finden, wenn kein Schnee liegt, doch noch genug 
und sind außerdem auf den schlauen Gedanken verfallen, in den Tagen des 
Wohllebens für die Zeit der Not zu sparen und so legen sie an geeigneten 
Orten Magazine an. In noch viel großartigerem Maßstabe tut dies be¬ 
kanntlich der Hamster, jener griesgrämige Einsiedler, der sich seine Häus¬ 
lichkeit für den Winter sehr komfortabel einzurichten versteht: seine fünf 
Fuß tief in die Erde gegrabene Wohnkammer polstert er mit dürrem Grase 
aus, verschließt die Zugangslöcher, nachdem er seine Speisekammern 
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