Empor die Herzen! 
34. Von Sünde und Reue. 
1. Wer mit Sünden ist beladen, 
Sott sein Herz in Reue baden 
2. Reu' ist aller Sünden Tod, 
Sie hilft dem Sünder aus der Not. 
3. Die Sünde wird zu nichte da, 
Wo Gott die reine Reue sah. 
4. Wie groß auch eines Missetat, 
Gott dennoch größ're Gnade hat. 
5. Wenn Wasser auf zu Berge 
fließt, 
Noch Rat wohl für den Sünder ist: 
Ich mein', wenn's im gehemmten Lauf 
Vom Herzen fließt zum Aug' hinauf. 
Wie leise auch des Wassers Fluß, 
Gott hört im Himmel den Erguß. 
6. Guter Glaub' und reine Werk' 
Machen schwinden der Sünden Berg, 
Wie die Hitze schmilzt den Schnee; 
Ungläub'gem Manne bleibt stets weh. 
7. Wer seiner Sünden weinen mag, 
Das ist der Sünden Sühnetag. 
8. Aus den T r o st sündigt mancher hin, 
Daß dem Schächer ward verziehn 
Von so kurzem Stoßgebet, 
Das er an dem Kreuze tät: 
Hätt' er Gott nur eh'r erkannt, 
Er hätt' an Gnad' ihn eh'r gemahnt. 
Wer auf den Trost die Reue spart, 
Der fährt gar leicht des Toren Fahrt. 
9. Manch Tor will schier vermessen sich: 
„Ich will gar bald bekehren mich, 
Und was an Sünden ich getan, 
Das alles will ich lassen dann." 
Den Rat gibt des Teufels List, 
Bis mancher in der Falle ist. 
10. Ein Tor, wer sich hier besserrr 
mag 
Und spart es bis zum jüngsten Tag- 
11. Wer Sünde läßt, eh' sie ihn lasse^ 
Der fährt der rechten Weisen Straße p 
Wer Sünden folgt bis an den Tag^ 
Wo er nicht mehr sünd'gen mag, 
Den läßt die Sünd', er läßt sie nichts 
Wie leider Leuten viel geschieht. 
12. Wer von der Sünde feiern mag^ 
Das ist ein rechter Feiertag. 
13. Wenn einer Rechtes lehrt und tut^ 
Das dringt den Sündern in Sinn und- 
Mut. 
14. Keine Sünde ward so groß, 
Die Reue beut ihr Gegenstoß. 
15. Wenn Todessünde einer hat — 
Wieviel er auch des Guten tat — 
So muß das Gute sein verderben, 
Wenn er will ohne Reue sterben. 
Jst's, daß er sich bekehret 
Und seine Guttat mehret, 
So grünet wieder wie das Gras 
Die Guttat, die verdorben was, 
Und blühet wie ein Mandelbaum; 
Vor Gott wird seine Sünd' ein Traum - 
16. Wenn einer richtig beichten soll». 
So wird sein Herz vor Scham ihm voll- 
Danach tut große Reu' ihm weh; 
Wie selig, wer's bedenket eh'! 
Aus Freidanks „Bescheidenheit" ins Nhd. übertragen von Karl Pannier. 
^ 78 €