HI. Neuhochdeutsche Dichtung. C. Das Zeitalter Friedrichs d. Gr. e. Blütezeit. 125
Warum sucht' ich den Weg so sehnsuchtsvoll,
Wenn ich ihn nicht den Brüdern zeigen soll?"
10. Und wie ich sprach, sah mich das hohe Wesen
Mit einem Blick mitleid'ger Nachsicht an;
Ich konnte mich in ihrem Auge lesen,
Was ich gefehlt, und was ich recht getan.
Sie lächelte, da war ich schon genesen,
Zu neuen Freuden stieg mein Geist heran;
Ich sonnte nun mit innigem Vertrauen
Mich zu ihr nahn und ihre Nähe schauen.
11. Ta reckte sie die Hand aus in die Streifen
Der leichten Wolken und des Dufts umher.
Wie sie ihn faßte, ließ er sich ergreifen,
Er ließ sich ziehn, es tvar kein Nebel mehr.
Mein Auge konnt' int Tale wieder schweifen,
Gen Himmel blickt' ich, er war hell und hehr.
Nur sah ich sie den reinsten Schleier halten,
Er floß um sie und schwoll in tausend Falten.
12. „Ich kenne dich, ich kenne deine Schwächen,
Ich weiß, was Gutes in dir lebt und glimmt;"
— So sagte sie, ich hör' sie ewig sprechen, —
„Empfange hier, was ich dir lang' bestimmt;
Dem Glücklichen kann es an nichts gebrechen,
Der dies Geschenk mit stiller Seele nimmt:
Aus Morgenduft gewebt und Sonnenklarheit,
Der Dichtung Schleier ans der Hand der Wahrheit.
13. „Und wenn es dir und deinen Freunden schwüle
Am Mittag wird, so wirf ihn iu die Luft!
Sogleich umsäuselt Abeudwiudeskühle,
Umhaucht euch Blumen-Würzgeruch und Duft.
Es schweigt das Wehen banger Erdgefühle,
Zum Wolkenbette wandelt sich die Gruft,
Besänftiget wird jede Lebenswelle,
Der Tag wird lieblich, und die Nacht wird helle."
14. So kommt denn, Freunde, wenn auf euern Wegen
Des Lebens Bürde schwer und schwerer drückt,
Wenn eure Bahn ein frischerneuter Segen
Mit Blumen ziert, mit goldnen Früchten schmückt;
Wir gehn vereint dem nächsten Tag entgegen!
So leben wir, so wandeln wir beglückt.
Und dann auch soll, wenn Enkel um uns trauern,
Zu ihrer Lust noch unsre Liebe dauern.
Der Musensohn.
1. Durch Feld und Wald zu schweifen, Und nach dem Takte reget
Mein Liedchen wegzupfeifen, Und nach dem Maß beweget
So geht's von Ort zu Ort! Sich alles au mir fort.