Full text: Poesie für das Seminar (Teil 3, [Schülerband])

II. Volkstümliche Lieder. E. Soldatenlieder. 
437 
17. Soldatenlied. 
(1870.) 
Von Dr. med. Greusler. 
1. König Wilhelm saß ganz Heiter- 
Jüngst zu Ems, dacht' gar nicht weiter 
An die Händel dieser Welt. 
Friedlich, wie er war gesunnen, 
Trank er seinen Kränchenbrunnen 
Als ein König und ein Held. 
2. Da trat in sein Kabinette 
Eines Morgens Benedette, 
Den gesandt Napoleon. 
Der fing zornig an zu kollern, 
Weil ein Prinz von Hohenzollern 
Sollt' auf Spaniens Königsthron. 
3. Wilhelm sagte: „Benedettig, 
Sie ereifern sich unnötig, 
Brauchen Sie man nur Verstand! 
Vor mir mögen die Spaniolen 
Sich nach Lust 'nen König holen, 
Mein'thalb aus dem Pfefferland!" 
4. Der Gesandte, so beschieden, 
War noch lange nicht zufrieden, 
Weil er's nicht begreifen kann; 
Und er schwänzelt, und er tänzelt 
Um den König und scharwenzelt, 
Möcht' es gerne schriftlich ha'n. 
5. Da sieht unser Wilhelm Rexe 
Sich das klägliche Gewächse 
Mit den Königsaugen an, 
Sagte gar nichts weiter, sundern 
Wandte sich, so daß bewundern 
Jener seinen Rücken kann. 
0. Als Napoleon das vernommen, 
Ließ er gleich die „Stiebeln" kommen, 
Die vordem sein Onkel trug. 
Diese zog der Bonaparte 
Grausam an, und auch der zarte 
Lulu nach den seinen frug. 
7. So in granfer Kriegesrüstung 
Rufen sie in stolzer Brüstung: 
„Auf, Franzosen! Übern Rhein!" 
Und die Kaiserin Eugenie 
Ist besonders noch diejen'ge, 
Die ins Feuer bläst hinein. 
8. Viele tausend rote Hosen 
Stark nun, treten die Franzosen 
Eiligst untern Chassepot, 
Blasen in die Kriegstrompete, 
Und dem Heere à la tête 
Brüllt der tapfre Turiko, 
9. Der Zephire, der Zuave, 
Der Spahi und jeder Brave 
Von der ^rrrancke nation; 
An zweihundert Mitrailleusen 
Sind bei der Armee gewesen 
Ohne sonstiges Kanon. 
10. Deutschland lauschet mit Erstaunen 
Auf die welschen Kriegsposaunen, 
Ballt die Faust, doch nicht im Sack; 
Nein, mit Fäusten, mit Millionen, 
Prügelt es auf die Kujonen, 
Auf das ganze Lumpenpack. 
11. Wilhelm spricht mitMoltk'undRoone 
Und spricht, dann zu feinem Sohne: 
„Fritz, geh hin und haue ihm!" 
Fritze, ohne lang' zu feiern, 
Nimmt sich Preußen, Schwaben, Bayern, 
Geht nach Wörth und — hauet ihm; 
12. Haut ihm, daß die Lappen fliegen, 
Daß sie all die Kränke kriegen 
In das klappernde Gebein, 
Daß sie, ohne zu verschnaufen, 
Bis Paris und weiter laufen, 
Und wir ziehen hinterdrein. 
13. Unser Kronprinz, der heißt Fritze, 
Und er fährt gleich einem Blitze 
Unter die Franzosenbrut. 
Und ob wir sie gut geschlagen, 
Weißenbnrg und Wörth kann sagen; 
Denn wir schrieben dort mit Blut. 
14. Ein Füsilier von dreinndachtzig 
Hat dies neue Lied erdacht sich 
Nach der alten Melodei. 
Drum, ihr frischen, blauen Jungen, 
Lustig darauf losgesungen! 
Denn wir waren auch dabei.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.