Full text: Für die Oberstufe der Seminare und zur Weiterbildung für Lehrer (Band 4, [Schülerband])

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Und an die Tore schlägt's der alten Wien, 
Fährt durch die Burg, die Hallen, wo zu 
Rat 
Noch sitzen Kaiser, Könige und Fürsten 
b Ob Teilung seiner Welt, ob mein und 
dein 
In unauflösbar schwerer Frage, spinnend 
In das verhexte diplomatische Knaul 
Stets mehr der end- und anfangslosen 
Fäden, 
Je mehr der Hände da zur Lösung — 
schlägt 
Dazwischen seinen Schlag: „Napoleon!" 
Ein Alexanderl^ieb! — Gelöst der Knoten, 
>5 Erledigt jede Frage, klein, verschwunden, 
In Liebe ist verwandelt jeder Groll 
Vor diesem Haßkoloß! Auf stehen alle 
Von ihrer grünen Tafelrunde, schließen, 
Verkreuzend Hand und Herz, den alten 
2» Bund: 
Alle für einen, alle wider einen! 
Und in die Acht erklärt Europa ihn, 
Den Weltfeind Bonaparte. 
Wieder geht 
2-°> Durch alle deutschen Gauen an sein Volk 
Das Fürstenwort, und wieder glaubt aufs 
Wort 
Das Volk, und liebt und hofft; und wieder 
wogt 
Das Leben sich auf seine Höhen; schwellend, 
Durch alle Adern schlagend treiben wieder 
Die warmen Pulse ihre Maienblüten, 
Und wieder blühen all' die seltnen Blumen 
Der unbewußten, selbst sich opfernden 
^ Begeisterung; in seine Himmel hell 
Rankt wieder auf und grünt voll Waldes¬ 
duft 
Die heil'ge Hermannseiche eines Deutsch¬ 
lands, 
Und wieder weihen gläubig ihrem Schatten 
Sie alle Gut und Blut, ihr bestes, letztes: 
Das Alter seine Ruh', das Weib den 
Mann, 
Die Braut die Myrte, Mütter ihre Söhne; 
<?• Pflug, Buch, Hammer unb Webschiff, Handel 
und Wandel, 
Lehr- und Nährstand wird wieder Wehr¬ 
stand; „Waffen!" 
Ruft Bauer, Bürger; und all' seine 
io Städte 
Rüsten, umgürten sich mit Turm und 
Wall, 
Dem steinernen Schild und donnernden 
Schwert — ein Mann 
Das Volk und eine Burg das Land! 
Und in 
Vier Heeresstrahlen schleudert ihren Bann 
Europa. 
Obenan ist Marschall Vorwärts, 
Der Zeit zu nichts sich läßt, als alt und 
müde 
Zu werden: „Kinder, Bonaparte ist 
'mal wieder da! Es fängt von vorne an! 
Vorwärts! in neuen Krieg mit altem 
Mut!" 
Schwer liegt die Hand des Unglücks auf 
dem Haupt 
Des gottgeträumten Erdgewalt'gen. 
Entgöttert, doch entlastet nicht der Welt 
Von seinen Schultern — mit der Götter¬ 
last 
Steht da — ein Mensch. 
„Hast du begonnen — so 
Vollende!" donnert heiß der rote Mor¬ 
gen; 
„Vollende!" schattet kalt der bleiche 
Abend; 
„Vollende!" brausen aus der Nacht ge- 
fallner 
Despoten sinnverwirrend alle die 
Heraufbeschwornen Elemente — Meister 
Jetzt ihres Meisters, um so wilder Herr, 
Je mehr sie Sklav' gewesen — schüttelnd 
ihm 
Heraus aus seinem bleichen Purpur all' 
Die dunklen Falten. — Niederbannen sie 
Kann er nicht mehr. Zu spät! — kann nicht 
zurück 
Und kann nicht vorwärts: schwindelnd steht 
auf seiner 
Von Ost und West geschnellten Linie 
Der Cäsar zwischen seinen heißen Polen: 
Entweder — oder! 
Und von n u n an schlägt 
Nicht mehr der Feldherr seine Schlacht, 
nur noch 
Der unverantwortliche Kaiser, 
setzt, 
Was er noch hat, des Heeres letzten 
Mann, 
Den letzten und den besten — seine Mauer, 
Mit der sie alle stehen oder fallen,
	        
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