Full text: [Band 1, [Schülerband]] (Band 1, [Schülerband])

cVcÔenſtecisirc caca I. Im Kreislaufe der Natur j 
34. Die berche. 
Die Schatten der Nacht bedecken das Feld; Ruhe und Schweigen 
liegt auf der weiten Flur; kaum ein Blättchen des sprossenden Getreides 
schwankt im Zuge der kühlen Luft. 
Da dämmert es allmählich im Osten; die Sonne sendet ihre ersten 
Strahlen zu den Wolken, die wie weiße Lämmer droben am tiefblauen 
Himmel den Morgenstern als Hirten umlagern. 
Zwischen den dunkeln Schollen des Ackers regt es sich; ein Lerchen⸗ 
pärchen erhebt sich dort aus seiner Nachtruhe. Das Männchen hüpft auf 
einen Erdhügel; seinem Rufe antwortet das Weibchen. Sie sagen sich 
„Guten Morgen!“ und wünschen sich Glück zur Ankunft im Heimatlande, 
in dem sie die ersten Tage der Jugend verlebten. x 
Erst gestern kamen sie an; noch ist's Februar. Ende Oktober zogen 
sie fort mit den Gefährten nach milden Ländern, gen Mittag. Im Süden 
Deutschlands verlebten sie die unfreundlichste Zeit des düstern Winters; 
nur wenige von der Schar wagten sich über die Alpen nach den milden 
Gebieten des Mittelmeers. Noch ist kein Sänger des Waldes zurück; 
Nachtigall und Kuckuck weilen noch fern — nur die Lerche kam wieder. 
Da sitzt sie auf der Scholle wie auf ihrem Wartturme, schüttelt die 
Federn und putzt die staubigen Schwingen; jetzt breitet sie die niedlichen 
Flügel aus und steigt singend empor. In steiler Schraubenlinie flattert 
sie aufwärts, höher und höher und immer höher, als suche sie die ersten 
Strahlen der Sonne. Droben in den Wölkchen scheint sie zu verschwinden, 
aber deutlich hörst du ihr Lied, das in bunten, lieblichen Strophen dir 
das Leben der Lerche: Feldlust und Feldfrieden, erzählt. — 
Die Sonne geht auf! Ihre erwärmenden Strahlen zittern wie flüs— 
siges Gold über die betaueten Saaten und mahnen die Fluren an den 
nahenden Frühling. Der Lerchensang ist sein Herold. 
Jetzt endlich senkt sich der muntere Vogel wieder herab, zunächst 
langsam, dann schneller, und die letzte Strecke stürzt er senkrecht hernieder 
wie in kühnem Übermut. 
Das Lerchenpärchen hat Besitz ergriffen vom Weizenfeld; es ist sein 
Reich: wer darf es ihm wehren? Andere Pärchen mögen sich anderwärts 
umsehen, wo die Flur noch Raum für sie hat. Von droben herab schaut 
das Männchen auf sein Gebiet, wie ein Sängerfürst; drunten beim Weib— 
chen angelangt, ruht es ein wenig, dann werden beide zu Naturforschern 
und durchstreifen die Flur. Jede Scholle wird sorgsam gemustert, jedes 
Körnchen geprüft. Da liegt ein Samen vom Rübsen unbedeckt, dort ein 
solcher vom Feldmohn. Da schaut ein Würmchen neugierig hervor, dort 
sprossen saftige Keimblättchen, die vergangenen Herbst bereits trieben. 
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