Full text: [Band 1, [Schülerband]] (Band 1, [Schülerband])

r—25358c2*ar⸗ 66. Der Hirtenknabe auf der Heide. o ονν 
65. Der Hirtenknabe auf der Heide. 
Im eigentlichen Sinne des Wortes ist es nicht eine Heide, wohin 
ich den lieben Leser und Zuhörer führen will, sondern weit von unserer 
Stadt ein traurig-liebliches Fleckchen Landes, das sie die Heide nennen, 
weil seit unvordenklichen Zeiten nur kurzes Gras darauf wuchs, hie und 
da ein Stamm Heideföhre oder die Krüppelbirke, an deren Rinde zu— 
weilen ein Wollflöckchen hing von den wenigen Schafen und Ziegen, die 
zeitweise hier herumgingen. Ferner war noch in ziemlicher Verbreitung 
die Wachholderstaude da, im weitern aber kein anderer Schmuck mehr; 
man müßte nur die fernen Berge hierher rechnen, die ein wunderschönes 
blaues Band um das mattfärbige Gelände zogen. 
Wie es aber des öftern geht, daß tiefsinnige Menschen oder solche. 
denen die Natur allerlei wunderliche Dichtung und seltsame Gefühle in 
das Herz gepflanzt hatte, gerade solche Orte aufsuchen und liebgewinnen, 
weil sie da ihren Träumen und innerem Klingklang nachgehen können, 
so geschah es auch auf diesem Heideflecke. Mit den Ziegen und Schafen 
nämlich kam auch sehr oft ein schwarzäugiger Bube von zehn oder zwölf 
Jahren, eigentlich um dieselben zu hüten; aber wenn sich die Tiere zer— 
streuten — die Schafe um das kurze, würzige Gras zu genießen, die 
Ziegen hingegen, für die im Grunde kein passendes Futter da war, mehr 
ihren Betrachtungen und der reinen Luft überlassen, nur so gelegentlich 
den einen oder andern weichen Sprossen pflückend — fing er inzwischen an 
Bekanntschaft mit den allerlei Wesen zu machen, welche die Heide hegte, 
und schloß mit ihnen Bündnis und Freundschaft. 
Es war da ein etwas erhabener Punkt, an dem sich das graue 
Gestein, auch ein Mitbesitzer der Heide, reichlicher vorfand und sich gleich⸗ 
sam emporschob, ja sogar am Gipfel mit einer überhängenden Platte ein 
Obdach und eine Rednerbühne bildete. Auch der Wachholder drängte 
sich dichter an diesem Orte, sich breit machend in vielzweigiger Abstammung 
und Sippschaft nebst manch schönblumiger Distel. Bäume aber waren 
gerade hier weit und hreit keine, weshalb eben die Aussicht weit schöner 
war als an andern Punkten, vorzüglich gegen Süden, wo das ferne 
Moorland, so ungesund für seine Bewohner, so schön für das entfernte 
Auge, blauduftig hinausschwamm in allen Abstufungen der Ferne. Man 
hieß den Ort den Roßberg; aus welchen Gründen ist unbekannt, da hier 
nie seit Menschenbesinnen ein Pferd ging, was überhaupt ein für die 
Heide zu kostbares Gut gewesen wäre. 
Nach diesem Punkte nun wanderte unser kleiner Freund am aller⸗ 
liebsten, wenn auch seine Pflegebefohlenen weit ab in ihren Berufs— 
geschäften gingen, da er aus Ersahrung wußte, daß keines die Gesellschaft 
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