Full text: Für die Präparandenanstalt (Teil 1, [Schülerband])

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Prosa. A. Erzählungen. 
friedlich. Die Arbeit giilg ihm von den Händen, und die Leute brauchten 
Strümpfe und Wämser, denn das Kriegsvolk hatte angezogen, was es fand, 
und sich in der Eile nicht darum gekümmert, ob die Strümpfe unb Wämser 
aufs Maß genommen und paßten. Nach Jahren konnte er das väterliche 
Haus kaufen. In der Nördlinger Schlacht wurde sein Bruder Matthias 
verwundet und kehrte mit dem Arm in der Binde zu seinem Bruder ins 
väterliche Haus zurück. Der Kriegsbruder verstalld sich aber auch bald zu 
den: Friedenshandwerk der Strumpfweberei und sang mit seinen: Bruder 
bei der Arbeit: „Guter Hirte, Jesus Christus, der du starbst fürs Heil der 
Menschen." — Aber so oft die Brüder über die Stadtmauer schauten :u:d 
den Baccalaureus in efsigie mit den: roten und blauen Strumpf hängen 
sahen, segnete sich der alte Wachtmeister, daß er nicht seinen lieben Bruder 
über die Stadtnmuer gehä::gt, sondern nur seiner: blauer: unb roten Strumpf, 
die beirr: Färber: verunglückt warerr, und priesen beide die Güte Gottes, 
der die Einfältigen, d. h. die, die lauteren, aufrichtigen Sirmes 
sind, behütet und die Biel faltig er: und Vielschichtigen, wie der: 
Baccalaureus, in ihrer Klugheit erhascht und in der: Strümpfen der Ein¬ 
fältiger: über die Mauer här:gt. 
Solches tat Gott ums Jahr 1634 ur:d tut es auch noch. 
9. Des Reiches Krone. 
Von W. Raabe. 
„Gesammelte Erzählungen." Berlin 1901. (Gekürzt.) 
Im Jahre 1390 hatte Ritter Hans Groland mit seinem Bruder Ulrich 
seinen Burgstall Laufenholz der Stadt Nürnberg zu einem offenen Hause 
verschrieben, und verbunden hatten sich beide Brüder, daß weder sie noch 
einer ihrer Nachkommen das Haus an einen anderen als einen Nürnberger 
Bürger oder eine Nürnberger Bürgerin verkaufen sollten. Als mau aber im 
Jahr Zweiundneunzig die große Schlagglocke auf Sankt Sebald eiilweihte, 
da sü:d schon beide Brüder gestorben gewesen, und des Ritters Hans Sohl:, 
Michel Groland, ist meines Herrn Vaters Mündel geworden u::d zu uns 
ir:s Haus gebracht, da niemand sich seiner annehmen wollte. Meii: Herr 
Vater aber hatte we::ig mehr zu bemündeln als de:: wilden Junker selbst; 
den:: das Geschlecht hatte voi: alte:: Zeiten her schlimm gewirtschastet, :u:d 
es war für den Letzten daraus wenig übriggeblieben voi: Lehen und Allod; 
wie denn die Grossei: schon seit Kaiser Ludwigs des Bayern Zeiten Burg- 
glessei:, so denen vo:: Laufeicholz eignete, innehatten. 
Seit Konrad Hainzen, den man Conradum Leprosum und nachher Eon- 
radum Magnum, d. i. Grosse, nannte, ist keii: stattlicher Geschlecht in Nürnberg 
aufgekommen unb an dem starker: Baun: mit hundert Ästen keine schönere 
Blüte als Mechtild Grosse, derer: Vater am Paniersberge der Nachbar meines 
Vaters gewesen ist.
	        
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