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Max von Schenkendorf.
1. Die Lerche grüßt den ersten Strahl,
Daß er die Brust ihr zünde,
Wenn träge Nacht noch überall
Durchschleiert die tiefen Gründe.
2. Und du willst, Menschenkind, der Zeit
Verzagend unterliegen?
Was ist dein kleines Erdenleid?
Du mußt es überfliegen!
Der Sturm geht lärmend um das Haus,
Ich bin kein Narr und geh' hinaus,
Aber bin ich eben draußen,
~ Will ich mich wacker mit ihm zausen.
Gedichte, S. 46 ff.
4.
Dichterlos.
Für alle muß vor Freuden
Mein treues Herze glühn,
Für alle muß ich leiden,
Für alle muß ich blühn,
Und wenn die Blüten Früchte haben,
Da haben sie mich längst begraben.
Gedichte, S. 106.
Max von Schenkendorf.
65. Freiheit.
1. Freiheit, die ich meine,
Die mein Herz erfüllt,
Komm mit deinem Scheine,
Süßes Engelsbild.
2. Magst du nie dich zeigen
Der bedrängten Welt?
Führest deinen Reigen
Nur am Sternenzelt?
3. Auch bei grünen Bäumen
In dem lust'gen Wald,
Unter Blütenträumen
Ist dein Aufenthalt.
4. Ach, das ist ein Leben,
Wenn es weht und klingt,
Wenn dein stilles Weben
Wonnig uns durchdringt.
5. Wenn die Blätter rauschen
Süßen Freundesgruß,
Wenn wir Blicke lauschen,
Liebeswort und Kuß.
6. Aber immer weiter
Nimmt das Herz den Lauf,
Auf der Himmelsleiter
Steigt die Sehnsucht auf;