99» Der blinde König.
Ludwig Uhland.
1. was steht der nordischen Fechter
Zchar
hoch auf des Meeres Rord?
was will in seinem grauen haar
Der blinde König dort?
Er ruft in bitterm Harme,
stuf seinen Stab gelehnt,
Daß überm Meeresarme
Das Eiland widertönt:
2. „Gib, Räuber, aus dem Fels¬
verlies
Die Tochter mir zurück!
Ihr Harfenspiel, ihr Lied so süß
war meines Hlters Glück,
vom Tanz auf grünem Ztrande
hast du sie weggeraubt,-
Dir ist es ewig Zchande,
Mir beugt's das graue Haupt."
3. Da tritt aus seiner Kluft hervor
Der Räuber, groß und wild -
Er schwingt sein Hünenschwert empor
Und schlägt an seinen Zchild:
„Du hast ja viele Wächter,
Warum denn litten's die?
Dir dient so mancher Fechter,
Und keiner kämpft um sie?"
4. Noch stehn die Fechter alle
stumm,
Tritt keiner aus den Reihn.
Der blinde Rönig kehrt sich um:
„Vin ich denn ganz allein?"
Da faßt des Vaters Rechte
§ein junger Lohn so warm:
„vergönn mir's, daß ich fechte!
Wohl fühl' ich Rraft im Rrm!"
5. „ (D Lohn! der Feind ist riesenstark,
Ihm hielt noch keiner stand,-
Und doch, in dir ist edles Mark,
Ich fühl's am Druck der Hand.
Nimm hier die alte Rlinge!
Sic ist der Zkalden preis -
Und fällst du, so verschlinge
Die Flut mich armen Greis."
6. Und horch! Ts schäumet und
es rauscht
Der Nachen übers Meer,-
Der blinde Rönig steht und lauscht,
Und alles schweigt umher,
Bis drüben sich erhoben
Der Zchild' und Schwerter Zchall
Und Rampfgeschrei und Toben
Und dumpfer Widerhall.
7. Da ruft der Greis so freudig bang:
„Zagt an, was ihr erschaut!
Mein Zchwert, ich kenn's am guten
Rlang,
Es gab so scharfen Laut."
„Der Räuber ist gefallen,
Er hat den blut'gen Lohn,
heil dir, du Held vor allen,
Du starker Rönigssohn!"
8. Und wieder wird es still umher,
Der Rönig steht und lauscht:
„was hör' ich kommen übers Meer?
Ls rudert und es rauscht."
„Zie kommen angefahren,
Dein Lohn mit Zchwert und Zchild,
In sonnenhellen haaren
Dein Töchterlein Gunild!"
9. „willkommen!" ruft vom hohen
Ztein
Der blinde Greis hinab,
„Run wird mein Rlter wonnig sein
Und ehrenvoll mein Grab.
Du legst mir, 5ohn, zur Leite
Das Zchwert von gutem Rlang,-
Gunilde, du befreite,
Zingst mir den Grabgesang."