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als wollte sie klagen, daß ihre gute Zeit nun vorüber sei. Der Hofschulze blieb,
die Arme in die Seite gestemmt, mit dem Knechte stehen, bis der Zug durch den
Baumgarten verschwunden war. Dann sagte der Knecht: „Das Vieh grämt
sich.“ — „Warum sollte es nicht?“ erwiderte der Hofschulze; „grämen wir uns
doch auch. Komm auf den Futlerboden; wir wollen Hafer messen.“
91. Das Loch im Armel.
Heinrich Zschokke.
Ich hatte einen Spielgesellen und Jugendfreund, Namens Albrecht, erzählte
einst Herr Marbel seinem Neffen Konrad. Wir beide waren überall und nirgend,
wie nun Knaben sind, wild, unbändig. Unsre Kleider waren nie neu, sondern
schnell besudelt und zerrissen. Da gab's Schläge zu Hause; aber es blieb beim
alten. Eines Tages saßen wir in einem öffentlichen Garten auf einer Bank
und erzählten einander, was wir werden wollten. Ich wollte Generallieutenant,
Albrecht Generalsuperintendent werden.
Aus euch beiden wird im Leben nichts!“ sagte ein steinalter Mann in
feinen Kleidern und weißgepuderter Perücke, der hinter unserer Bank stand und
die kindlichen Entwürfe angehört hatte.
Wir erschraken. Albrecht fragte: „Warum nicht?“
Der Alte sagte: „Ihr seid guter Leute Kinder, ich sehe es euren Röcken
an; aber Ihr seid zu Beltlern geboren; würdet Ihr sonst diese Löcher in euren
Armeln dulden?“ Dabei faßte er jeden von uns an die Ellenbogen und bohrte
mit den Fingern in die daselbst durchgerissenen Ärmel hinauf. — Ich schämte
mich, Albrecht auch. „Wenn's euch,“ sagte der alte Herr, „Ju Haus niemand
zunähet, warum lernt Ihr's nicht felbst? Im Anfang hättet Ihr den Rock mit
Zwei Nadelstichen geheilt; jetzt isl's zu span, und Ihr kommt wie Bettelbuben.
Vollt Ihr Generallieutenant und Generalsuperintendent werden, so fangt an beim
Kleinsten. Erst das Loch im Ärmel geheilt, Ihr Bettelbuben; dann denkt an
etwas anderes!“
Wir beide schämten uns von Herzensgrund, gingen schweigend davon und
huun das Herz nicht, etwas Böses über den bösen Älten zu sagen. Ich aber
de den Ellenbogen des Rockärmels so herinn, daß das Loch einwäris kam,
n es niemand erblicken möchte. Ich lernte von meiner Mutter nähen,
denn ich sagte nicht, warum ich's lernen wollte. Jetzt, wo sich an
883 Flenern eine Naht öffnete, ein Fleckchen sich durchschabte, ward's sogleich
ht Das machte mich aufmerksam; ich mochte an unzerrissenen Kleidern
sennn mehr Unreinlichkeit leiden. Ich ging sauberer, ward sorgfältiger,
s und dachte, der alte Herr in der schneeweißen Perücke hatte so
e icht. Mit zwei Nadelstichen zu rechter Zeit reitet man einen Rock,
hehenn Hand voll Kalk ein Haus; mit einem Glase Wasser löscht man eine
vn Feuersbrunst; aus rolen Pfennigen werden Thaler us tleinen
unn Baͤume, wer weiß, wie groß.
ar n nahm die Sache nicht so streng. Es war sein Schaden. Wir
ent e Krämer empfohlen; er verlangte einen im Schreiben und
ne g rbunsen Der Krämer prüfte uns; dann gab er mir den
vg ß ilnnn Kleider waren heil und sauber; Albrecht im Sonntags—
Iw se n sigleiten sehen. Das sagte mir der Herr Prinzipal nachher.
bdel nn sagte er, „Er hält das Seine zu Rat; aus dem anderen
in das Loch nnn Da dachte ich wieder an den alten Herrn und
meinen Kentni rmel. Ich merkte wohl, ich hatte in andern Dingen, in
issen, in meinei Betragen, in meincn Neigungen, noch manches