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stumpfen Geiste Schärfe zu geben vermöge — mehrere ausgezeichnete, mit der
Zeit hochberühmt gewordene Männer ihre Bildung, so der Bischof von Constanz
und Abt von St. Gallen, Salomo III., die Gelehrten und Professoren
Rabert, Tutilo und Notker der Stammler. Sein Lieblingsfach war
die Naturgeschichte; aber auch über die Übertragung und die Wunder des heiligen
Othmar schrieb er, und ein ganz bedeutendes, mit großer Gelehrsamkeit und an—
gesirengtester Arbeit abgefaßtes Werk, das sogenannte Lexikon Salomonis ver—
dankt ihm seine Entstehung, ein Wörterbuch, dessen einzelne Worte den besten,
damals bekannten lateinischen, griechischen und hebräischen Büchern entnommen
und lateinisch erklärt waren. — Der Herzog Rudolf von Burgund erbat sich
vom Abte diesen Lehrer für sein Kloster Granvall, damit er hier und in seinem
Reiche überhaupt das Schulwesen belebe; auf drei Jahre wurde der Bitte
entsprochen, dann die Frist verlängert, und bevor Iso nach St. Gallen heim—
kehren durfte, ereilte ihn der Tod im genannten Jahre 871. Um die Mitte
des neunten Jahrhunderts, unter dem Abte Grimald, kehrte ein Irländer, der
Bischof Markus mit seinem Neffen Möngal, in St. Gallen auf einer Reise von
Rom her ein; dem Möngal gefiel es allda so gut, daß er seinen Oheim zum
Dableiben beredete. Ihre Pferde und einen Teil des Geldes verschenkten sie an
ihre Reisegefährten, ihre Bücher brachten sie dem Kloster zu. Während Markus
später von Karl dem Kahlen nach Soissons ins Medarduskloster berufen wurde,
übernahm Möngal in St. Gallen die innere Schule; die Mönche nannten ihn
nach seinem Oheim den kleinen Marcellus, Marcellin; seine Bedeutung können
wir nicht nach seinen litterarischen Arbeiten ermessen, denn es ist keine auf uns
gekommen; wohl aber aus seinen tüchtigen Schülern, deren berühmtester Notker
der Stammler, der Heilige, geworden ist.
Betreten wir nun eine Schule! Es sind ihrer zwei, eine innere und
eine äußere. Die ersten Schulmeister waren Geistliche, ihre Schule für die
Heranbildung der Klostergeistlichkeit bestimmt. Nachdem aber auch unter den
Laien das Interesse für gelehrte und litterarische Bildung zunahm, und eine
zahlreiche Jugend, welche nicht an den Eintritt in den Mönchsstand oder das
Priestertum dachte, den Klosterschulen zuströmte, da war es nicht mehr angezeigt,
die ganze Strenge der klösterlichen Zucht anzuwenden; man wollte sie aber der
weltlichen Jugend zulieb für die eigentlichen Klosterschüler auch nicht mildern.
So kam man darauf, für die weltliche Jugend in einem Nebengebäude des
Klosters eine eigene Schule zu errichten, die dann im Gegensatze zur inneren
Klosterschule die äußere hieß. Die Trennung wurde so gründlich durchgeführt,
daß eine Aachener Synode im Jahre 817 den Beschluß faßte, daß künftighin
keine weltlichen Jünglinge mehr in die Schulen innerhalb der Klöster auf⸗
genommen werden sollten. Ob wir nun die eine oder andere Schule betreten,
wir finden in beiden die gleichen Unterrichtsgegenstände, eine stramme Zucht und
ein fröhliches Leben. Das Latein war der vorzüglichste Unterrichtsgegenstand,
sogar die Umgangssprache; nur die jüngsten Knaben durften sich noch ihrer
Muttersprache bedienen; zur Übung mußten die Schüler bei Tisch lateinisch vor—
lesen, und durch Fertigkeit im Sprechen konnten sie ihre Strafen abmindern,
wenn nicht ganz abverdienen. Als Salomo III., der, wie wir wissen,
Bischof von Tonstanz und zugleich Abt von St. Gallen war, Weihnachten 819
im Kloster feierte, besuchte er am Tage der unschuldigen Kinder die Schule⸗
Dieser war einer der Vakanztage, und die Schüler hatten das Recht, mit jedem
Fremden ihren unschuldigen Mutwillen zu treiben und ihn, bis er sich auslöste/
gefangen zu halten. Kaüm war Salomo bei ihnen eingetreten, so umringten sie
shn, sagten, daß er als Bischof ein Fremder unter ihnen sei; der alte Mann
ergötzte sich an dem Scherze der Knaben; da sie sich aber vergaßen und ihn auf