Full text: Deutsches Lesebuch für Lehrer- und Lehrerinnen-Seminare

— 5 — 
hunde sprangen und wedelten; die Tauben auf dem Dache zogen das Köpfchen 
unterm Flügel hervor, sahen umher und flogen ins Feld, die Fliegen an den 
Wänden krochen weiter; das Feuer in der Küche erhob sich, flackerte und kochte 
das Essen; dar Braten fing wieder an zu brutzeln, und der Koch gab dem Jungen 
eine Ohrfeige, daß er schrie, und die Magd rupfte das Huhn fertig. Und da 
wurde die Hochzeit des Koͤnigssohnes mit dein Dornrdschen in aller Pracht gefeiert, 
und sie lebten vergnügt bis an ihr Ende 
2. Sneewillchen. 
Brüder Grimm. 
SB war einmal mitten im Winter, und die Schneeflocken fielen wie Federn 
dom Himmel herab, da saß eine Königin an einem Fenster, das einen Rahmen 
3 shwarzem Ebenholz hatte, und nähte. Und wie sie so nahle und nach dem 
hre aufblickte, stach sie sich mit der Nadel in den Finger, und es fielen drei 
pfen Blut in den Schnee.s Und weil das Rote im weißen Schnee so schön 
sah, dachte sie bei sich: „Hätt' ich ein Kind so weiß wie Schnee, so rot wie 
n und so schwarz wie der Rahmen!“ Bald darauf bekam sie ein Töchterlein, 
as war so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarzhaarig wie Ebenholz, 
und wurde darum das Sneewittchen genannt. Und wie das Kind geboren war, 
starb die Könign 
u Über ein Jahr nahm sich der König eine andere Gemahlin. Es war eine 
Wine Frau; aber sie war stolz und übermütig und konnte nicht leiden, daß sie 
3 Schoͤnheit von jemand sollte übertroffen werden. Sie hatte einen wunderbaren 
piegel; wenn sie vor den trat und sich darin beschaute, sprach sie: 
„Spieglein, Spieglein an der Wand, 
Wer ist die Schönste im ganzen Land?“ 
Und der Spiegel antwortete: 
d „Ihr, Frau Königin, seid die Schönste im Land.“ 
a war sie zufrieden; denn sie wußte, daß der Spiegel die Wahrheit sagte. 
E Sneewitichen aber wuchs heran und wurde immer schöner, und als es sieben 
In alt war, war es so schön wie der klare Tag, und schͤner als die Königin 
st. Als diese einmal ihren Spiegel fragte: 
„Spieglein, Spieglein an der Wand, 
Wer ist die Schönste im ganzen Land?“ 
d antwortete er: 
„Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier, 
Aber Sneew ittchen ist tausendmal schöner als Ihr.“ 
an a erschrak die Königin und ward geld und grun vor deeid. Von Stund 
in rnn sie Sneewittchen erblickte, kehrte sich ihr Herz im Leibe herum, so haßte 
n u Mãdchen. Und der Neid und Hochmut wuchsen, und wurden so groß 
und daß sie Tag und Nacht keitte Ruhe mehr hatte. Da rief sie einen Jaͤger 
eh „Bring' das Kind hinaus in den Wald, ich will's nicht mehr vor 
a Augen sehen. Dort sollst du es töten, und mir Lunge und Leber zum 
zeichen mitbringen.“ Der Jäger gehorchle und führte es hinaus, und als 
bohen den Hirschfänger gezogen hatie und Sneewittchens unschuldiges Herz durch⸗ 
mein fing es an zu weinen und sprach: „Ach, lieber Jäger, laß mir 
lonng en; ich will in den wilden Wald laufen und nimmermehr wieder heim 
u Und weil es so schͤn war, hatte der Jäger Mitleiden und sprach: 
licssu hin, du armes Kind!“ Die wilden Tere werden dich balbege 
haben“/ dachte er, und doch war's ihm, als wär' ein Stein von seinem
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.