— 32 —
6. Der Meister.
Jeden anderen Meister erkennt man an dem, was er ausspricht;
Was er weise verschweigt, zeigt mir den Meister des Stils.
7. Erwartung und Erfüllung.
In den Ocean schifft mit tausend Masten der Jüngling;
Still, auf geretteitem Boot, treibt in den Hafen der Greis
8. Deutscher Genius.
Ringe, Deutscher, nach römischer Kraft, nach griechischer Schönheit!
Beides gelang dir; doch nie glückte der gallische Sprung.
9. Das Distichon.
Im Hexameter steigt des Springquells flüssige Säule;
Im Pentameter drauf fällt sie melodisch herab.
10. Das Unwandelbare.
„Unaufhaltsam enteilet die Zeit.“ — Sie sucht das Beständ'ge.
Sei getreu, und du legst ewige Fesseln ihr an.
439. Epigramme von Platen.
1. Die Epigramme.
Bloß Aufschriften ja sind Epigramme; die Treue der Wahrheit
Aber verleiht oftmals kleinen Gesängen Gehalt.
2. Hermann und Dorothea.
Holpricht ist der Hexameter zwar; doch wird das Gedicht stets
Bleiben der Stolz Deutschlands, bleiben die Perle der Kunst.
3. Aufmunterung.
Schön ist's, Großes zu thun und Unsterbliches. Fühl' es, o Jüngling!
Früh von der Stirne mühvoll rinne der männliche Schweiß!
AÄber vergiß niemals, daß stets die geschwätzige Trägheit,
Wertlos, ohne Verdienst, große Verdienste beschmutzt!
4. Stizze.
Oftmals zeichnet der Meister ein Bild durch wenige Striche,
Was mit unendlichem Wust nie der Geselle vermag.
440. Epigramme von Geibel.
1. Erkenntnis und Liebe.
Menschen, willst du sie lieben, so mußt du zuvor sie erkennen;
Gott erkennest du nur, Suchender, wenn du ihn liebst.
2. Kraft des Gebetes.
Strecke die Hand nur empor im Gebet! Gott faßt sie von oben,
Und die Berührung durchströmt dich mit geheiligter Kraft.
3. Heute.
Immer behalte getreu vor Augen das Höchste! doch heute
Strebe nach dem, was heut du zu erreichen vermagst.