fullscreen: Lesebuch für die Oberstufe (Teil 3, [Schülerband])

E. Aus der Natur. 997 
Eicheln dienen nur den Tieren des Waldes zur Nahrung; die 
Balloteneiche im Süden Europas, mehrere Eichenarten in Amerika 
und Asien liefern auch dem Menschen angenehme und nahrhafte 
Speise. Die Rinde unsrer Eichen, besonders der etwa 40jährigen 
und jüngeren, bietet zwar dem Gerber eine vortreffliche Lohe zum 
Gerben des Leders; die südeuropäische Korkeiche liefert aber die 
dicken Schichten des Korkes, der zu so vielfachen Verwendungen sich 
eignet und sich am Baume stets wieder erzeugt, wenn er abgeschält 
wird. Die amerikanische Färbereiche liefert dem Färber ihr Holz 
zum Gelbfärben. Die griechischen Eichen geben die Galläpfel, 
welche schwarz färben und zur Tintenbereitung dienen. Aber keine 
der anderen Eichen gleicht der deutschen an Festigkeit und Dauer des 
Holzes. Eichenholz bildet die Roste, auf denen in sumpfigen 
Gegenden Wohngebäude und Kirchen sicher ruhen; es bildet die 
Schwellen der Eisenbahnen und gibt dem Zimmermann feste 
Planken für das gewaltige Seeschiff. 
Die Eiche wächst langsam. Der Holzring, den sie in einem 
Jahre erzeugt, ist nur dünn; aber sie arbeitet fest und auf die 
Dauer. Sie erreicht ja ein Alter von vielleicht tausend Jahren und 
vermag deshalb Stämme zu bilden, die zu den mächtigsten im 
Gewächsreiche überhaupt gehören. Die Eiche wächst nicht in jeder 
Zeit ihres Lebens gleich rasch, anfänglich schneller, später nur 
langsam. Nach etwa 200 Jahren hat sie eine Höhe von 30 bis 
32 Meter erreicht und wird dann nur unmerklich höher. Erst 
vom 40. Jahre an fängt sie an zu blühen und Früchte zu tragen. 
Tausendjährige Eichen findet man mehrfach in den verschiedenen 
Gegenden unsers Vaterlandes. An ihnen zogen unsre Urahnen, 
mit Speer und Pfeilen bewaffnet, vorüber. Unter ihnen brachten 
sie ihrem höchsten Gotte, dem Wodan, feierlich Opfer; denn ihm 
war der mächtige Waldbaum geheiligt. In mancher Eiche, die 
gefällt ward, fand man Pfeilspitzen eingewachsen, die noch aus 
den Zeiten der alten Deutschen herrühren. 
Hermann Wagner. 
186. Von des Regenwurms ehrbarem Lebens- 
Wandel. 
Wenn man des Morgens nach einer feuchtwarmen Nacht 
in den Garten tritt und etwa eine lehmige Wegstelle ansieht, 
so0 wird man auf dieser meist einige kleine Erdhäufehen wahr-
	        
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