Full text: Deutsche Prosa von Luther bis zu Lessing (Band 7, [Schülerband])

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welche aus den Blumen den letzten Tropfen heraussaugen; wann er anfangt 
die Wahrheit zu predigen denen hohen Ministris, und Räten, sie sollen lernen 
3 zählen, sie sollen jene Lektion recht lernen, welche Christus seinen Geheimisten 
gegeben. Wann er anfangt, den Edel-Leuten die Wahrheit zu predigen, daß sie denen 
Barbieren in ihr Profession eingreifen, und ihr mehristes Einkommen nicht im Wein 
oder Trayd*, sondern inZwiebeln stehe,weilen sie dieBaurengarzustarkzwiebeln; wann 
er die Wahrheit sagt denen Geistlichen, daß sie gar oft feind wie die Glocken, welche 
anderen in die Kirchen läuten, und sie selber bleiben daraus: daß sie gar oft seind 
wie die Zimmerleut des Noö, welche anderen die Archen gebauet, daß sie sich sal- 
vieret, und sie selbsten seind zu Grund gangen, daß viel Geistliche seind wie die 
Nacht-Eulen, welche das Öl bei nächtlicher Weil aus denen Lampen aussaufen, 
und sich von der Kirchen erhalten, und sonst nichts nutzen; wann er die Wahr¬ 
heit sagt denen Soldaten, daß sie halsstarriger Meinung seind als seie ihr Ge¬ 
wissen auch priviligiert, aber da heißt es Privilegia Brief-Lügen; die Wahrheit dem 
Magistrat, und Obrigkeiten, daß sie gar oft seind wie ein Spital-Suppen, wor¬ 
auf wenig Augen; die Wahrheit denen Mautnern und Beambten, daß sie gar 
zu barmherzig seind, nicht zwar in Beherbergung der Frembdling, wol aber des 
frembden Guts; die Wahrheit denen Zimmerleuten, daß man bei ihnen allzeit 
frische Spän, aber zugleich faule Gespän finde; die Wahrheit denen Becken, 
daß sie gar oft solche Leut sein, welche Mehl genug, aber zu wenig Teig zum 
Semmeln nehmen; die Wahrheit denen Gärtnern, daß sie gar oft den Garten 
säubem, aber das Gewissen lassen verwachsen, und nichts mehrer pflanzen, als 
das Weinkräutl; die Wahrheit denen Wirten, daß sie gar oft Kein-Wein für 
Rhein-Wein, Lugenberger für Lutenberger ausgeben, und öfters auch den Tuch¬ 
scherer in die Arbeit greifen; die Wahrheit den Bauren, daß sie sich zwar ein¬ 
fältig stellen, aber so einfältig, wie die Schweizer-Hosen, so hundert Falten haben; 
die Wahrheit denen Kindern, daß sie denen Pasfauer - Klingen nicht nacharten, 
dero beste Prob ist, wann sie sich biegen lassen; die Wahrheit den Frauenzimmer, 
daß sie gar zu viel ziehen an den Schweif des Rocks, zu wenig umb den Hals 
tragen; die Wahrheit den gemeinen Weibern, daß sie fast die Natur einer Uhr 
an sich haben, welche nie ohne Unruh, rc.: wann dergestalten der Prediger den 
Scharfhobel brauchen wird, wann er auf solche Weis wird die Wahrheit reden, 
so bringen ihm solche Wörter, Schwerter, so bringt ihm solches Sagen, Klagen; 
luimious factus sum dicens*. Er verfeindt sich allenthalben. Sein Auditorium 
wird bald die Schwindsucht leiden: die Kirchenstühl werden bald lauter Quartier 
der alten Weiber werden wie ein abgebrochener Jahrmarkt, an allen Orten 
wird man hören, was kei ich mich umb den Prediger. 
Judas der Erzschelm ermordt seinen leiblichen Vater Rüben. 
Merks wohl mein Christ. Dein Christus hat derentwegen in dem Garten 
von den Hebräischen Lotters-Buben wollen gefangen werden, damit er im 
Garten anfange die Schuld zu bezahlen, welche Adam gemacht hat im Garten. 
Merks wohl mein Christ. Dein Christus hat derentwegen im Garten von Malcho 
dem Böswicht einen harten Backenstreich leiden wollen, weilen Adam ein Maul¬ 
taschen verdienet hat wegen seiner getanen Lug im Paradies. Merks wohl 
mein Christ. Dein Christus ist derentwegen mit harten Geiseln geschlagen 
worden, damit er zeige, er seie das wahre Treidkörnl, von denen Hebräern 
dergestalten ausgedroschen, endlich gar in die Erd geworfen, daß es den dritten 
Tag wiederumb aufgangen, und uns ein Frucht des Lebens worden. Merks 
Deutsche Bibliothek. Band 7. 8. Aufl. 
7
	        
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