Full text: Deutsches Lese- und Bildungsbuch für katholische Präparandenanstalten

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64. Hürnen. 
Abraham Emanuel Fröhlich. 
„Schwing mir die Buben und schwing mir Mir eine Herzenslust. 
sie stark!" Denn ich hasse die Zwergenart, 
Ruft dem Winde der Wald; So die sumpfige Kluft, 5 
„Klagen sie gleich in müdem Gestöhn, Eingewindelt, vor Wetter bewahrt 
Laß mir nicht ab sobald! Immer in Stubenluft. 
Also nur wurzelt ihr Fuß, und mit Mark; Fahl und kahl in des Frühlings Saft, 
Füllet sich Arm und Brust; Hat schon ein Lüftchen sie umgerafft." 
Und sie wachsen zu stolzen Höhn, 
65. Zucht. io 
Abraham Emanuel Fröhlich. 
'„Nicht laß ich mich zäumen," 
Schäumt wütend das Pferd; 
„Ich werde mich bäumen, 
Mich wälzen zur Erd'; 
Und wenn sie mich schlagen, 
Zerreiß' ich den Wagen 
Und stürze feldein 
Durch Klüft' und Gestein; 
Denn besser zu sterben, 
Als knechtisch verderben." 
„Gern ließ ich mich zügeln," 
Entgegnet der Springer, 
„Und Schläge und Stich 
Verschoneten mich. 15 
So ward ich ein Ringer 
Und lernte beflügeln 
Mich selber zum Ziel. 
Viel besser gefiel 
Mir, Zucht zu erwerben, 20 
Denn zuchtlos verderben." 
66. Adler und Jauöe. 
Johann Wolfgang v. Goethe. 
Ein Adlersjüngling hob die Flügel 
Nach Raub aus; 
Ihn traf des Jägers Pfeil und schnitt 
Der rechten Schwinge Sennkraft ab. 
Er stürzt' herab in einen Myrtenhain, 
Fraß seinen Schmerz drei Tage lang 
Und zuckt' an Qual 
Drei lange, lange Nächte lang; 
Zuletzt heilt' ihn 
Allgegenwärt'ger Balsam 
Allheilender Natur. 
Er schleicht aus dem Gebüsch hervor 
Und reckt die Flügel—ach! 
Die Schwingkraft weggeschnitten — 
Hebt sich mühsam kaum 
Am Boden weg 
Unwürd'gem Raubbedürfnis nach 
Und ruht tieftrauernd 
Auf dem niedern Fels am Bach; 
Er blickt zur Eich' hinauf, 
Hinauf zum Himmel, 
Und eine Träne füllt sein hohes Aug'. 
Da kommt mutwillig durch die Myrtenäste 25 
Dahergerauscht ein Taubenpaar, 
l Läßt sich herab und wandelt nickend 
Über goldnen Sand am Bach 
Und ruckt einander an; 
Ihr rötlich Auge buhlt umher, 30 
Erblickt den Jnnigtrauernden. 
Der Tauber schwingt neugiergesellig sich 
Zum nahen Busch und blickt 
Mit Selbstgefälligkeit ihn freundlich an. 
„Du trauerst," liebelt er; 35 
1 „Sei gutes Mutes, Freund! 
Hast du zur ruhigen Glückseligkeit 
j Nicht alles hier? 
Kannst du dich nicht des goldnen Zweiges 
freun, 40 
Der vor des Tages Glut dich schützt? 
Kannst du der Abendsonne Schein 
Auf weichem Moos am Bache nicht 
Die Brust entgegenheben?
	        
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