3. Der Morgen.
Schon entweicht der Mond mit seinem bleichen Gefolge; schon fan—
gen am dämmernden Himmel die ersten Farben der Morgenröte an auf—
zuglimmen. Allmählich verlassen die falben Schatten die Ebenen und
ziehen sich tief in die Nacht der Wälder zurück. An den Gipfeln der
Berge wallen die Nebel auf und nieder und scheinen untereinander zu
streiten, wie sie vor der Ankunft der Sonne entweichen wollen. Der
rasche Lauf der Flüsse und die stille Flut des Sees sind von einem Dampfe
hodackt, der nach und nach an den angrenzenden Häusern hinaufzieht, in⸗
d⸗e an hin und her die Spitzen der Wälder und Landhäuser aus der Dun⸗
kolheit emporragen, dort der lange Gürtel grauer Gebirge, die sich mit
dem blauen Himmel mischen, wieder erscheint, hier ein kühler Wind auf
den schon erhellten Bächen schwärmt, in mutwilligem Spiel die kleinen
Wellen kräuselt und da im frischen Laube scherzend den Tau herab⸗
schüttelt.
Ein sich immer mehr aufheiterndes Purpurrot durchströmt die
Wolken, und ein vorlaufender Schimmer der herannahenden Königin des
Tages spielt auf den Häuptern der Felsen und Hügel, welche die letztei
Tropfen des Taues empfangen, und weckt die ganze Natur, auf
prächtige Ankunft aufmerksam zu sein. Der ganze Ost entflammt sich
der Himmel glänzt von einem zitternden Lichte; die Stirnen der Bergt
glühen; über dem gewölbten Walde zerfließt eine liebliche Röte, und
Umher schwimmen schon die Gefilde in einer goldenen Heiterkeit. Endlich
erhebt sich dort die Sonne über den Horizont herauf, ein wallendes Meer
von Feuer. Ihre Strahlen umleuchten alles; die weite Schöpfung fühl
ihre Gegenwart. Der Glanz des Lichtes blitzt auf den betauten 3
die Wiesen schimmern im reicheren Schmelz; die Blumen entfalten sic
und spiegeln ihre benetzten Blätter vor der erwachenden Sonne.
Deu West wiegt sich auf erfrischten Gewächsen; die Luft ist kü
Die Lerche wirbelt ihr Morgenlied in die beglänzten Wolken. Jed
Schönheit der Natur enthüllt sich wieder, und ein Trieb des Vergnügen
bemeistert sich aller Sinne. Ein zarter Dampf, der das Tal noch
einem leichten Flor beschattete, verfliegt allmählich in der heitern LQufl
die entfernteren Gebirge nähern sich aus ihrem Duft dem Auge wiede
und alle unsere Blicke streifen in der erleuchteten Landschaft umhet
Schon lange hat der Landmann, von der Stimme des Hahns gewe
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sein Lager verlassen, und munter bereitet er sein Feldgerät vor der Hütte
von hohen Eichen beschattet und von nahen Wiesen umduftet.