Full text: Prosa für Lehrerseminare (Teil 3)

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sei vergessen, sowie wir andern alle auch wünschen, daß unser Anteil 
an der Schuld vergessen werde. Jetzt beginnt, sowie für uns alle, also 
auch für euch ein neues Leben. Möchte doch diese Stimme durch alle 
die Umgebungen hindurch, die euch unzugänglich zu machen pflegen, 
bis zu euch dringen! Mit stolzem Selbstgefühl darf sie euch sagen: 
ihr beherrschet Völker, treu, bildsam, des Glücks würdig, wie keiner 
Zeit und keiner Nation Fürsten sie beherrscht haben. Sie haben Sinn 
für die Freiheit und sind derselben fähig; aber sie sind euch gefolgt in 
den blutigen Krieg gegen das, was ihnen Freiheit schien, weil ihr 
es so wolltet. Einige unter euch haben späterhin anders gewollt, und 
sie sind euch gefolgt in das, was ihnen ein Ausrottungskrieg scheinen 
mutzte gegen einen der letzten Reste deutscher Unabhängigkeit und 
Selbständigkeit; auch weil ihr es so wolltet. Sie dulden und tragen 
seitdem die drückende Last gemeinsamer Übel; und sie hörten nicht 
auf, euch treu zu sein, mit inniger Ergebung an euch zu hangen und 
euch zu lieben als ihre ihnen von Gott verliehenen Vormünder. 
Möchtet ihr sie doch, unbemerkt von ihnen, beobachten können; möchtet 
ihr doch, frei von den Umgebungen, die nicht immer die schönste Seite 
der Menschheit euch darbieten, herabsteigen können in die Häuser des 
Bürgers, in die Hütten des Landmanns und dem stillen und ver- 
dorgenen Leben dieser Stände, zu denen die in den höheren Ständen 
seltener gewordene Treue und Biederkeit ihre Zuflucht genommen 
Zu haben scheint, betrachtend folgen können: gewitz, o gewitz würde 
euch der Entschluß ergreifen, ernstlicher denn jemals nachzudenken, wie 
ihnen geholfen werden könne. Diese Reden haben euch ein Mittel der 
Hilfe vorgeschlagen, das sie für sicher, durchgreifend und entscheidend 
halten. Lasset eure Räte sich beratschlagen, ob sie es auch so finden 
oder ob sie ein besseres wissen, nur datz es ebenso entscheidend sei. Die 
Überzeugung aber, datz etwas geschehen müsse und auf der Stelle ge¬ 
schehen müsse und etwas Durchgreifendes und Entscheidendes geschehen 
Müsse und datz die Zeit der halben Matzregeln und der Hinhaltungs- 
mittel vorüber sei: diese Überzeugung möchten sie gern, wenn sie 
Knuten, bei euch selbst hervorbringen, indem sie zu eurem Biedersinne 
noch das meiste Vertrauen hegen. 
Euch Deutsche insgesamt, welchen Platz in der Gesellschaft ihr 
einnehmen möget, beschwören diese Reden, datz jeder unter euch, der 
^a denken kann, zuvörderst denke über den angeregten Gegenstand und 
^atz jeder dafür tue, was gerade ihm an seinem Platze am nächsten liegt. 
Es vereinigen sich mit diesen Reden und beschwören euch eure 
vorfahren. Denkt, datz in meine Stimme sich mischen die Stimmen 
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