Full text: Prosa für Lehrerseminare (Teil 3)

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mernbe Bild voll Sonnenschein und glücklicher Zufriedenheit, welches 
die Zeit meines Hierseins damals erfüllte. Freude am Leben, Freude 
an den Leuten, alt wie jung, und vor allem Freude am eben erstarken¬ 
den jungen Deutschen Reiche! 
So ist es denn auch der Wunsch, der mich vor allem jetzt erfüllt, 5 
in dem Augenblick, da ich meinen teuern Sohn in Ihre Mitte reihe, 
daß ihm eine ebenso glückliche Studienzeit beschieden sein möge, wie 
mir einst geworden. Und wie sollte das auch eigentlich anders mög¬ 
lich sein! Ist doch Bonn, die liebliche Stadt, so gewöhnt an das 
Treiben lebensfroher Jünglinge und von Natur dazu wie geschaffen! 10 
Findet der Kronprinz doch Erinnerungen an seinen herrlichen Gro߬ 
vater, der nimmer Bonns vergessen konnte, sein gütig Auge leuchtete, 
wenn der Name der ihm so liebgewordenen Stadt genannt wurde; an 
seinen Urgroßvater, den edeln Prinzgemahl, den Lebensgefährten jener 
jetzt verklärten königlichen Frau, die stets ein friedliches und freund-15 
liches Verhältnis zwischen ihrem und unserm Volk angestrebt hat, 
die ja beide germanischen Stammes sind, und an so manchen andern 
edeln deutschen Fürsten, der hier seine Vorbereitung für seinen späteren 
Beruf durchlaufen hat. 
Aber weiter noch: Bonn liegt ja am Rhein; da wachsen unsre 20 
Reben, ihn umschweben auch unsre Sagen, und da redet jede Burg, jede 
Stadt von unserer Vergangenheit! Vater Rhein mit seinem Zauber 
soll auch auf den Kronprinzen und Sie seine Wirkung üben. Und 
wenn der Becher fröhlich kreist und ein frisches Lied erschallt, dann 
soll Ihr Geist sich voll des schönen Augenblicks erfreuen und darinnen 25 
aufgehen, wie es lebensmutigen deutschen Jünglingen ziemt! Doch 
die Quelle, aus welcher Sie Ihre Freude schöpfen, sie sei rein und 
lauter wie der goldne Saft der Reben, sie sei tief und nachhaltig wie 
der Vater Rhein! Blicken wir umher im wonnigen Rheinland, da steigt 
vor uns unsere Geschichte in greifbarer Gestalt empor. Ja, freuen 30 
sollen Sie sich, daß Sie junge Deutsche sind, beim Durchziehen der 
Strecke von Aachen bis Mainz, d. h. von Carolus Magnus bis zur 
Glanzzeit Deutschlands unter Barbarossa! 
Aber warum ward nichts aus all der Herrlichkeit? Warum sank 
das Deutsche Reich dahin? Weil das alte Reich nicht auf streng natio- 35 
naler Basis begründet war. Der Universalgedanke des alten römischen 
Reiches deutscher Ration ließ eine Entwicklung im deutschnationalen 
Sinne nicht zu. Das Wesen der Nation ist die Abgrenzung nach außen, 
die Persönlichkeit eines Volkes, seiner Rasseneigentümlichkeit ent¬ 
sprechend. So mußte Barbarossas Glanz erbleichen und des alten 40 
Girardet-Puls-Reling, Lesebuch HI. 33
	        
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