Full text: Prosa für Lehrerseminare (Teil 3)

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Auf mich sind nunmehr alle Rechte und Pflichten übergegangen, 
die mit der Krone meines Hauses verbunden find, und welche ich in 
der Zeit, die nach Gottes Willen meiner Regierung befchieden fein 
mag, getreulich wahrzunehmen entschlossen bin. 
Durchdrungen von der Größe meiner Aufgabe, wird es mein 5 
ganzes Bestreben sein, das Werk in dem Sinne fortzuführen, in dem 
es begründet wurde, Deutschland zu einem Horte des Friedens zu 
machen und in Übereinstimmung mit den verbündeten Regierungen 
sowie mit den verfassungsmäßigen Organen des Reiches wie Preußens 
die Wohlfahrt des deutschen Landes zu pflegen. 10 
Meinem getreuen Volke, das durch eine jahrhundertelange Ge¬ 
schichte in guten wie schweren Tagen zu meinem Hause gestanden, bringe 
ich mein rückhaltloses Vertrauen entgegen. Denn ich bin überzeugt, daß 
auf dem Grunde der untrennbaren Verbindung von Fürst und Volk, 
welche, unabhängig von jeglicher Veränderung im Staatenleben, das 15 
unvergängliche Erbe des Hohenzollernstammes bildet, meine Krone 
allezeit ebenso sicher ruht wie das Gedeihen des Landes, zu dessen Re¬ 
gierung ich nunmehr berufen bin, und dem ich gelobe, ein gerechter 
und in Freud wie Leid ein treuer König zu sein. 
Gott wolle mir seinen Segen und Kraft zu diesem Werke geben, 20 
dem fortan mein Leben geweiht ist! 
Berlin, den 12. März 1888. 
Friedrich III. 
67. Erlaß Kaiser Wilhelms II. -ei seiner Thronbesteigung. 
An Mein Volk! 
Gottes Ratschluß hat über uns aufs neue die schmerzlichste Trauer 
verhängt. Nachdem die Gruft über der sterblichen Hülle meines un¬ 
vergeßlichen Herrn Großvaters sich kaum geschlossen hat, ist auch 
meines heißgeliebten Herrn Vaters Majestät aus dieser Zeitlichkeit 5 
zum ewigen Frieden abgerufen worden. Die heldenmütige, aus christ¬ 
licher Ergebung erwachsene Tatkraft, mit der er seinen königlichen 
Pflichten ungeachtet seines Leidens gerecht zu werden wußte, schien 
der Hoffnung Raum zu geben, daß er dem Vaterlande noch länger er¬ 
halten bleiben werde. Gott hat es anders beschlossen. Dem königlichen 10 
Dulder, dessen Herz für alles Große und Schöne schlug, sind nur 
wenige Monate beschieden gewesen, um auch auf dem Throne die
	        
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