34
Wir sehen, Philipp II. fehlte die äußerliche Tätigkeit seines
Vaters. Von jenem steten Reisen, jenem Eilen nach allen Orten,
wo die Gegenwart des Fürsten nötig schien, war er kein Freund. Er
gab denen Beifall, welche an Ferdinand dem Katholischen lobten, daß
5 er seine auswärtigen Kriege mehr habe führen lassen, als selbst ge¬
führt; welche daran erinnerten, daß auch Karls Heere unter der An¬
führung eines Pescara und Lewa glücklicher gewesen als unter Karls
eigener. Philipp führte Krieg, doch er selber blieb fern davon. Per¬
sönliche Regsamkeit macht die Seele offener, freier und wärmer. Wenn
10 an Philipp immer eine gewisse Starrheit zu bemerken war, so mochte
sie auch von dem Mangel an dieser Tätigkeit herrühren.
Die andtt Seite der Tätigkeit Karls, in dem Kabinett, in dem
eigentlichen Geschäft, war dagegen mehr auf Philipp übergegangen.
Zwar hielt er sich auch hier von unmittelbarer Berührung mit anderen
i5 lieber entfernt, und wir finden ihn weder persönlich unterhandeln noch
an den Sitzungen des Staatsrates teilnehmen. Aber wir werden
wahrnehmen, wie das Getriebe seines Staates so eingerichtet war,
daß sich die Geschäfte des weitläufigsten Reiches sämtlich an seinem
Tische versammelten. Alle Beschlüsse seiner Räte von einiger Be-
2o deutung wurden ihm auf einem gebrochenen Blatte vorgelegt, auf dessen
Rande er sein Gutachten, seine Verbesserungen anzeichnete. Die Bitt¬
schriften, die Briefe, die an ihn einliefen, die Beratungen seiner
Minister, die geheimen Berichte kamen hier sämtlich in seine Hand.
Seine Arbeit und sein Vergnügen war, sie zu lesen, zu überlegen, zu
25 beantworten. Von hier aus, zuweilen von einem ergebenen Sekretär
unterstützt, oft in vollkommener Einsamkeit, regierte er die ihm unter¬
tänigen Länder, hielt er auch die übrigen in einer Art von Aufsicht;
von hier aus setzte er die geheimen Triebräder eines guten Teils der
Angelegenheiten der Welt in Bewegung. Da war er ganz unermüd-
30 lich. Wir haben Briefe, die er um Mitternacht geschrieben: wir
finden, daß er die unerfreulichen flandrischen Sachen auf einem seiner
Lustschlösser ausfertigt, während der Wagen unten hält, der ihn zur
Königin führen soll. Mußte er einem .Feste beiwohnen, so verlegte er
es auf einen Tag, an dem wenigstens kein regelmäßiger Kurier abzu-
35 senden war. Seine kurzen Reisen nach dem Escurial machte er nicht,
ohne seine Papiere mitzunehmen, ohne sich unterwegs mit ihnen zu
unterhalten. So wie Margaretha von Parma und Granvella, ob¬
gleich sie in demselben Palaste wohnten, doch mehr schriftlich als münd¬
lich miteinander verhandelten, so schrieb auch er unzählige Billets
40 an seine vertrauteren Minister; Antonio Perez hatte deren allein zwei