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b- Doch nur getrost, es kann nicht immer
währen,
die Keile gehn dem Wetter endlich aus;
durch Not und Angst muß man sein Glück
gebären,
ein steiler Weg führt nach der Ehre Haus.
Ja, ja die Zeit trägt auf geschwinden
Flügeln
mein Unglück weg und meine Ruh heran;
beliebte Luft der väterlichen Hügeln,
wer weiß, ob ich dich einst nicht schöpfen
kann!
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6. Ach, daß ich dich schon itzund küssen
könnte
beliebter Wald! und angenehmes Feld!
Ach daß das Glück die sanfte Ruh mir
gönnte,
die sich bei euch in Einsamkeit enthält:
doch endlich kommt, und vielleicht kommt
es bälder,
auf Sturm die Sonn' und Ruhe nach der
Müh:
ihr aber grünt indessen, holde Wälder,
grünt, bis ich euch dereinsten wiedersieh.
Albrecht von Haller. Hagedorn und seine Nachfolger.
Hagedorn und seine Nachfolger.
Ein Dichter des fröhlichen Lebensgenusses in anständiger Behäbigkeit ist der Hamburger Friedrich von
Hagedorn (gest. 1754). Von der Unnatur der Schlesier führt er zurück zu heiterer Lebensfreude und
Lebensweisheit. Sein „Johann der muntere Seifensieder" ist jedem Volksschüler bekannt. Durch seine Fabeln
gab er das Muster für die Fabeldichter unserer Lesebücher: Geliert, Lichtwer, Pfeffel usw., durch seine Lebens¬
fröhlichleit wurde er Vorbild für die heiter-harmlosen Rokokodichter der Geselligkeit, der Zufriedenheit und
der treuen Schäferliebe wie Ludwig Gleim. — Geliert (1717—1769, Professor in Leipzig) hat mehr noch
als durch seine hausbackenen Fabeln durch seine geistlichen Lieder — die religiösen Lieblingslieder seiner
Zeitgenossen— auf das deutsche Volk gewirkt. — Gleim, der Halberstädter Domselretär (gest. 1803), und
seine vielen Freunde haben die Kunst entdeckt, wie der Poet stets fröhlich sein könne, und preisen diese Kunst
als die wahre Glückseligkeit und Weisheit. Gleims tändelnde sittsame Liebesliederchen und biedere wohl¬
ehrsame Trinkliederchen haben dem Geschmack ihrer Zeit am meisten entsprochen: seine „Preußischen Kriegs-
lieder" eines „Grenadiers" sind nicht ins Volk gedrungen. — Tiefer, ernster und gediegener sind die Dich¬
tungen des preußischen Obristwachtmeisters Ewald Christian von Kleist (1759 gefallen in der
Schlacht von Kunersdorf).
35. Ter Mai.
Friedrich von Hagedorn.
Ton: I. v. Görner.
i- Der Nachtigall reizende Lieder
ertönen und locken schon wieder
die fröhlichsten Stunden ins Jahr.
Nun singet die steigende Lerche,
nun klappern die reisenden Störche,
nun schwatzet der gaukelnde Star.
Wie munter sind Schäfer und Herde!
Wie lieblich beblümt sich die Erde!
Wie lebhaft ist itzo die Welt!
Die Tauben verdoppeln die Küsse,
der Entrich besuchet die Flüsse,
öer lustige Sperling sein Feld.
3- Wie gleichet doch Zephyr der Floren!
Sie haben sich weislich erkoren,
üe wählten den Wechsel zur Pflicht.
Er flattert um Sprossen und Garben;
!ie liebet unzählige Farben;
und Eifersucht trennet sie nicht.
Nun heben sich Binsen und Keime,
nun kleiden die Blätter die Bäume,
nun schwindet des Winters Gestalt;
nun rauschen lebendige Quellen
und tränken mit spielenden Wellen
die Triften, den Anger, den Wald.
s. Wie buhlerisch, wie so gelinde,
erwärmen die westlichen Winde
das Ufer, den Hügel, die Gruft!
Die jugendlich scherzende Liebe
empfindet die Reizung der Triebe,
empfindet die schmeichelnde Luft.
«• Nun stellt sich die Dorfschaft in Reihen,
nun rufen euch eure Schallmeyen,
ihr stampfenden Tänzer! hervor.
Ihr springet auf griinender Wiese,
der Bauerknecht hebet die Liese,
in hurtiger Wendung, empor. . .
36. Bitten.
Christian Fürchtegott Geliert
1787.
Ton: Beethoven op. 48.
*• Gott, deine Güte reicht so weit,
so weit die Wolken gehen;
du krönst uns mit Barmherzigkeit
und eilst, uns beizustehen.
Herr, meine Burg, mein Fels, mein
Hort,
vernimm mein Flehn, merk auf mein
Wort;
denn ich will vor dir beten.