Full text: Prosa für Lehrerseminare (Teil 3)

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Hamburg und Bremen, auch im neuerstandenen Deutschen Reich ver¬ 
fassungsmäßig gewährleistet ist; nein, auch den Zwergreichsstädten 
der schwäbischen Bank ist etwas von dem Selbstgefühl geblieben, das 
sie in jahrhundertelangem Streit mit den angrenzenden Landesherren 
s unabhängig erhielt. Überlingen, gegenüber der Mainau, am Nord- 
westarm des Bodensees, zeigt in der sorgsamen Erhaltung seiner Bau¬ 
denkmäler, mit welcher Liebe die kaum viertausend Bewohner des 
reizenden Städtchens an ihrer Vergangenheit hangen. In dem noch 
kleineren Pfullendorf fand ich den Reichsadler am Rathause auf das 
io sorgfältigste renoviert. 
Soest in Westfalen hat schon am Schlüsse der langen Fehde 
zwischen den Erzbischöfen von Cöln und den Grafen von der Mark im 
15. Jahrhundert aufgehört, eine Reichsstadt zu sein. Nichtsdesto¬ 
weniger hat sich die schöne alte Stadt den aus hellen Quadern er- 
i5 richteten Ring ihrer Stadtmauer mit Toren und Türmen vollständig 
bewahrt; sie umschließt in ihren zahlreichen Kirchen, unter denen 
der romanische Bau des heiligen Patroklus und die hochaufstrebende 
gotische Wiesenkirche zu den hervorragendsten Architekturleistungen 
Westfalens zählen, in den Sälen ihres Rathauses und in den Zimmern 
so ihrer Patrizierhäuser eine Menge der interessantesten Altertümer, und 
sie wird. wie ich mich bei manchem erfreulichen Anlaß überzeugt habe, 
von so kernfesten Bürgern bewohnt, daß mir auch um ihre Zukunft 
nicht bange ist. Soest würde ich in erster Linie nennen, wenn mich 
jemand nach dem Typus einer guten deutschen Mittelstadt fragte, und 
25 wer dorthin geht, wird um Ausfüllung seiner Stunden nicht verlegen 
sein. Er möge u. a. nicht versäumen, in der Wiesenkirche das Bild des 
heiligen Abendmahls zu besichtigen, bei dem der wackere Maler, ein 
echter Sohn der roten Erde, den Heiland und seine Jünger statt des 
Osterlammes einen guten Schinken nebst Pumpernickel verspeisen läßt. 
so Residenzen. Wiederum ganz anders zeigt sich der geschichtliche 
Charakter ausgeprägt in Städten vorwiegend fürstlichen Ursprungs, 
sei es, daß sie weltlichen Landesherren ihre Anlage und als Residenz 
ihre Vergrößerung verdanken oder daß sie früher unter dem Krumm- 
stab geistlicher Herrscher gestanden haben. Münster, Bonn, Koblenz, 
zz Bruchsal, Aschaffenburg, Würzburg zeigen noch heute in ausgedehnten 
Schloßbauten, daß diese geistlichen Herren an Vaulust und Prachtliebe 
es mit ihren weltlichen Kollegen reichlich aufzunehmen wußten, während 
die kolossalen Verhältnisse jetzt leerstehender oder zu ganz anderen 
Zwecken dienender Fürstenschlösser in Celle, Hildburghausen, Saalfcld, 
4o Weißenfels, Schwedt und in anderen Orten davon reden, wieviele
	        
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