Full text: Deutsches Lesebuch für die Bedürfnisse katholischer Volksschulen

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3. Der Wandertrieb. 
Die Wachtel kann wegen ihres sehwerfälligen Fluges nur mit 
Hilfe des Windes lange Strecken durchziehen. Die europäischen 
Wachteln kommen auf ihrer Wanderung stets mit dem Nordost- 
wind nach Malta. 
Was treibt die Zugvögel zur Wanderung? — Nicht die RKãlte, 
nicht der Nahrungsmangel; denn viele ziehen schon in der Nitte 
des Sommers von uns fort, wo sie weder frieren noch Mangel 
leiden. Wer weiset den Vögeln den Weg und das Land, wo sie 
wãhrend unseres Winters ihre Nahrung finden? — Wer sagt ihnen 
die Zeit, wann sie aufbrechen sollen? — 
Wenn der wandernde Vogel über das Meer zieht nach einem 
Lande, welehes er noch nie gesehen hat, mit der Ahnung, dort 
seinen Unterhalt zu finden, so muß über dem Vogel und dem 
Lande seiner Sehnsucht eine höhere Weisheit walten, welche beide, 
das Land und den Vogel, für einander geschaffen hat, so daß sie 
als Glieder der Naturhaushaltung einander bedürfen. 
Unsere Mauerschwalbe begiebt sich schon Anfang August auf 
ihre Wanderung; der Kuckuck langt schon in der Nitte des 
August in Afrika an; die Rauch- und Hausschwalbe erst in der 
zweiten Hälfte des September. 
Auch die Vorbereitung zur Reise zeigt uns eine höhere, 
liebende Fürsorge für die Geschöpfe. Das Blaukehlehen 2z. B. 
bekommt schon mit Ende Juli sein vollständiges Winterkleid. Sein 
ganzes Gefieder wird erneuert. Es hat die neuen Schwung- und 
Schwanzfedern zu seiner weiten Reise sehr nötig. Kurze Zeit vor 
seiner Abreise bekommt es eine auberordentliche Eblust und 
wird so wohlbeleibt, wie sonst nicht im ganzen Jahre. Zur be— 
stimmten Zeit wird es unruhig und bekommt, selbst wenn es in 
einen Kafig eingesperrt ist, die Reiselust. 
Die guten FPlieger wandern bei Tage; die Vögel dagegen, 
welehe einen schwerfälligen PFlug haben, wandern des Nachts und 
finden gleichwohl den rechten Weg, ohne Mondschein und ohne 
Laterne, ohne Kompab und Reisekarte. Die meisten Zugvögel 
haben ihre Haltestellen, wo sie siech niederlasson, um Nahrung 
und Kraft zu sammeln zur Fortsetzung der Reiss. Manche Arten 
wandern in ungeordneten, freibeweglichen Scharen, wie 2. B. die 
Finken, Ammern, Schwalben, Lerchen; andere beobachten eine 
bestimmte Ordnung und folgen einem Anführer. Die wilden 
Ganse 2. B. und die Kraniche ziehen in einer spitzwinkligen 
RKeilform, in regelmätigen Abständen der einzelnen Glüeder der 
Reisegesellschaft. Die Ibisse wandern in einer sanftgebogenen 
Sehlangenlinie, dio oft vom Scheitelpunkte des Schauers bis zum 
fernen Horizonte sich hinzieht. 
Die meisten Vögel wandern, unabhängig von der Himmols- 
gegend, ihrer Nahrung nach. Der Grünspecht Amerikas 2. B. 
weiß genau, wann die Kirschen in PFrankreieb reif werden,
	        
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