Full text: Von Vulfila bis zum Ende des 19. Jahrhunderts (Hälfte 1, [Schülerband])

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Den gantzen tag ich weine, 
Weil stäts in schmertzen bin. 
Wann wider dann entflogen 
Der Tag zur Nacht hinein 
Vnd sich gar tieff gebogen 
Die Sonn vnd Sonnenschein, 
Daß Flamlein so mich queelet, 
Noch bleibt in voller glut. 
All stundt, so viel man zehlet, 
Michs je noch brennen thut. 
Daß Flamlein, daß ich meine, 
Ist JESV süsser nam. 
Eß zehret Marck vnd Beine, 
Frist ein gar wundersam. 
O süssigkeit in schmertzen! 
O schmertz in süssigkeit! 
Ach, bleibe doch im Hertzen, 
Bleib doch in Ewigkeit! 
3. 1rawr-6e/ang von der notb 
Christi am Oelberg in dem garten. 
Bey stiller nacht, zur ersten wacht 
Ein stimm sich gund zu klagen. 
Ich nam in acht, waß die doch sagt, 
That hin mit äugen schlagen. 
Ein junges blut, von sitten gut. 
Alleinig ohn geferdten, 
In grosser noth fast halber todt, 
Im Garten lag auff Erden. 
Es wahr der liebe Gottes-Sohn, 
Sein Haupt er hat in armen, 
Biel weiß- vnd bleicher dan der Mon — 
Ein stein es möcht erbarmen. 
Ach Batter, liebster Vatter mein, 
Vnd muß den Kelch ich trincken? 
Vnd mags dan ja nit anders sein. 
Mein Seel nit laß versincken! 
Ob schon in pein vnd quälen 
Mein Leben schwindet hinn, 
Wan JEsu Pfeil vnd Stralen 
Durchstreichet Muth vnd Sinn; 
Doch nie so gar mich zehret 
Die Liebe JESV mein, 
Alß gleich sie wider nehret 
Vnd schenckt auch fremden ein. 
Ach liebes kind, trinck auß geschwind, 
Dirs laß in trewen sagen: 
Sey wol gesinnt, bald vberwind 
Den Handel mustu wagen. 
Ach Vatter mein, vnd kans nit sein, 
Vnd muß ichs je dan wagen, 
Wil trincken rein den Kelch allein, 
Kan dirs ja nit versagen! 
O Flämlein süß ohn Massen! 
O bitter auch ohn ziel! 
Du machest mich verlassen 
All ander Fremd vnd Spiel; 
Du zündest mein gemüthe. 
Bringst mir groß Hertzen leidt; 
Du kühlest mein Geblüthe, 
Bringst auch ergetzligkeit. 
Ade, zu tausent Jahren, 
O Welt, zu guter nacht! 
Ade, laß mich nun fahren. 
Ich längst hab dich veracht. 
In JESV lieb Ich lebe, 
Sag dir von Hertzen gründ. 
In lauter Fremd Ich schwebe. 
Wie sehr ich bin verwund. 
Doch sinn vnd muth erschrecken thut, 
Sol ich mein leben lassen! 
O bitter Tod, mein angst vnd noth 
Ist ober alle Massen! 
Maria zart, Jungfrawlich art, 
Soltu mein schmertzen wissen, 
Mein leiden hart zu dieser fahrt, 
Dein Hertz war schon gerissen! 
Ach mutter mein, bin ja kein stein, 
Daß Hertz mir dörfft zerspringen! 
Sehr grosse pein muß nehmen ein. 
Mit tot vnd marter ringen. 
Ade, ade zu guter nacht, 
Maria, mutter mildte! 
Ist niemand, der dan mit mir wacht 
In dieser wüsten wilde?
	        
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