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Geschichte.
I
4. Luther in Wittenberg und Rom. 1508 wurde Luther Lehrer an der
neugegründeten Universität iu Wittenberg und Prediger an einer Stadtkirche
daselbst. Als er dort drei Jahre gewirkt hatte, machte er im Aufträge seiues
Ordens eine Reise nach Rom. Dabei erkannte er, daß dort die Kirche in
tiefes Verderben gesunken war. Mönche uud Geistliche erschienen ihm un¬
wissend. Sie führten ein anstößiges Leben und dienten Gott zwar mit der Zunge,
aber nicht mit der Tat. Diese Eindrücke wirkten so ties uud nachhaltig auf Luther,
daß er sagte: „Ich wollte nicht 10 000 Goldguldeu nehmen, daß ich Rom
nicht sollte gesehen haben."
5. Beginn der Reformation. Um diese Zeit schrieb der Papst einen neuen
Ablaß aus, weil er viel Geld zum Neubau der Peterskirche in Nom brauchte.
Deu Verkauf der Ablaßzettel übertrug er für einen Teil oon Deutschland dem
Erzbischos von Mainz. Dieser sandte geschickte Leute aus, die es gut verstauden,
dem Volke zum Herzen zu sprechen. Zu diesen Ablaßhandlern gehörte auch der
Mönch Johann Tetzel. Als er in die Nähe von Wittenberg kam, strömten ihm
viele Leute zu, weil sie meinten, sie könnten für Geld die Seligkeit erkaufen.
Darunter waren auch manche von Luthers Beichtkindern. Luther warnte sie vor
dem Ablaß, indem er sagte: „Wer Buße tut und sich zu Gott bekehrt, der bekommt
die Vergebung aller Sünden, die uns der Herr Jesus Christus erworben hat,
ohne Geld und umsonst." Als Tetzel davon hörte, schalt er Luther einen Ketzer.
Darauf fchlng Luther am 31. Oktober 1517 an die Tür der Schloßkirche zu Witten¬
berg 95 Sätze an, um das Volk über den rechten Gebrauch des Ablasses zu
belehren. Damit forderte er zugleich nach der Sitte jener Zeit alle gelehrten
Männer auf, mit ihm über diesen Gegenstand zu disputieren, d. i. mit Worten
zu streiten. Diese 95 Sätze fanden in der ganzen Christenheit Beachtung. Auch
der Papst hörte davon und berief Luther nach Nom. Doch der Kurfürst von
Sachsen ließ ihn nicht dorthin ziehen, weil er für fein Leben fürchtete. Er
verlangte, man solle ihn in Deutschland verhören. Ein Gesandter des Papstes,
der Kardinal Kajetan, berief ihn darauf zu einer Besprechung nach Augsburg.
Luther zog hin, berief sich auf die Heilige Schrift uud ließ sich nicht zu einem
Widerruf bewegen. Auf den Rat feiner Freunde entwich er darauf bei Nacht
durch ein Pförtchen der Stadtmauer und kehrte nach Wittenberg zurück. Da
die Zahl feiner Anhänger schnell wuchs, wollte der Papst den Streit aus der
Welt schaffen und sandte seinen Kammerherrn v. Miltitz nach Deutschland, um
mit Luther zu verhandeln. Bei dieser Besprechung in Altenburg verpflichtete
sich Luther, zu schweigen, wenn feine Gegner das gleiche täten.
6. Luther sagt sich vom Papste los. Luthers Gegner aber schwiegen nicht.
Dr. Eck aus Ingolstadt zog in einen Streit, den er ursprünglich mit Luthers
Freund Karlstadt auszutragen hatte, Luther selbst hinein, so daß dieser an
der Disputation in Leipzig, die den Streit beilegen sollte, eifrigst teilnahm.
Als drei Wochen disputiert war, galt wohl Luther nach kirchlichem Rechte
für unterlegen, weil er die Autorität der Konzilien bezweifelt hatte, aber
für feine Erkenntnis hatte er unendlich viel gewonnen. Kurz darauf wies
er in zwei Schriften nach, was nach der Heiligen Schrift an der Lehre und