Full text: Von Vulfila bis zum Ende des 19. Jahrhunderts (Hälfte 1, [Schülerband])

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Der hat Verstand, so dumm er ist. 
Stax kömmt, und kaum ist Stax erschienen, 
So hält man ihn auch schon für klug. 
25 Warum? Seht nur auf seine Mienen, 
Wie vorteilhaft ist jeder Zug! 
Ein andrer hat zwar viel Geschicke; 
Doch weil die Miene nichts verspricht, 
So schließt man bei dem ersten Blicke, 
so Aus dem Gesicht, aus der Perücke, 
Daß ihm Verstand und Witz gebricht. 
2. Der Tanzbär. 
Ein Bär, der lange Zeit sein Brot er- 
tanzen müssen. 
Entrann und wählte sich den ersten Aufenthalt. 
Die Bären grüßten ihn mit brüderlichen 
Küssen 
Und brummten freudig durch den Wald, 
v Und wo ein Bär den andern sah. 
So hieß es: Petz ist wieder da! 
Der Bär erzählte drauf, was er in fremden 
Landen 
Für Abenteuer ausgestanden. 
Was er gesehn, gehört, getan! 
io Und fing, da er vom Tanzen redte, 
Als ging' er noch an seiner Kette, 
Auf polnisch schön zu tanzen an. 
Die Brüder, die ihn tanzen sahn, 
Bewunderten die Wendung seiner Glieder, 
i5 Und gleich versuchten es die Brüder; 
Allein anstatt wie er zu gehn, 
So konnten sie kaum aufrecht stehn, 
Und mancher fiel die Länge lang darnieder. 
Um desto mehr ließ sich der Tänzer sehn; 
so Doch seine Kunst verdroß den ganzen Haufen. 
Fort, schrieen alle, fort mit dir! 
Du Narr willst klüger sein als wir? 
Man zwang den Petz, davon zu laufen. 
Sei nicht geschickt, man wird dich wenig 
hassen, 
25 Weil dir dann jeder ähnlich ist; 
Doch je geschickter du vor vielen andern bist. 
Je mehr nimm dich in acht, dich prahlend 
sehn zu lassen. 
Wahr ists, man wird auf kurze Zeit 
Heydtmann, Lesebuch. .1. 
Von deinen Künsten rühmlich sprechen; 
Doch traue nicht, bald folgt der Neid so 
Und macht aus der Geschicklichkeit 
Ein unvergebliches Verbrechen. 
3. Die Geschichte von dem Hute. 
Das erste Buch. 
Der erste, der mit kluger Hand 
Der Männer Schmuck, den Hut, erfand, 
Trug seinen Hut unaufgeschlagen, 
Die Krempen hingen flach herab; 
Und dennoch wußt er ihn zu tragen, 5 
Daß ihm der Hut ein Ansehn gab. 
Er starb und ließ bei seinem Sterben 
Den runden Hut dem nächsten Erben. 
Der Erbe weiß den runden Hut 
Nicht recht gemächlich anzugreifen; io 
Er sinnt und wagt es kurz und gut, 
Er wagts, zwei Krempen auszusteifen. 
Drauf läßt er sich dem Volke sehn; 
Das Volk bleibt vor Verwundrung stehn 
Und schreit: Nun läßt der Hut erst schön! 15 
Er starb und ließ bei seinem Sterben 
Den ausgesteiften Hut dem Erben. 
Der Erbe nimmt den Hut und schmält. 
Ich, spricht er, sehe wohl, was fehlt. 
Er setzt darauf mit weisem Mute 20 
Die dritte Krempe zu dem Hute. 
O, rief das Volk, der hat Verstand! 
Seht, was ein Sterblicher erfand! 
Er, er erhöht sein Vaterland! 
Er starb und ließ bei seinem Sterben 25 
Den dreifach spitzen Hut dem Erben. 
Der Hut war freilich nicht mehr rein; 
Doch sagt, wie konnt es anders sein? 
Er ging schon durch die vierten Hände. 
Der Erbe färbt ihn schwarz, damit er was so 
erfände. 
Beglückter Einfall! rief die Stadt, 
So weit sah keiner noch, als er gesehen hat. 
Ein weißer Hut ließ lächerlich, 
Schwarz, Brüder, schwarz! so schickt es sich. 
Er starb und ließ bei seinem Sterben »5 
Den schwarzen Hut deni nächsten Erben. 
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