Full text: Deutsches Lesebuch für Lehrer- und Lehrerinnen-Seminarien

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übernahm noch dazu das Amt eines Bibliothekars an der herzoglichen Bibliothek. 
In einer Enkeltochter des Pädagogen Basedow fand er eine Gefährtin feines 
Lebens. Leider genoß er das häusliche Glück nur kurze Zeit. Als er im Sommer 
1827 mit seiner Frau eine Reise nach Schwaben unternahm und hier mit Uhland 
und Kerner wenige Tage in herzlicher Weise verkehrt hatte, überraschte ihn der Tod 
ganz unerwartet. Der berühmte Sprachforscher Max Müller ist der Sohn des 
früh dahingegangenen Dichters. 
Müllers Natur- und Wanderlieder, aus denen eine helle, innige und 
sinnige Naturfreude spricht, sind im besten Sinne des Wortes Volkslieder geworden. 
Wir erinnern hier nur an die in ganz Deutschland gerngesungenen Lieder: „Das 
Wandern ist des Müllers Lust" — „Es lebe, was auf Erden stolziert in grüner 
Tracht" — „Ich schnitt' es gern in alle Rinden ein" —. Sein Lied: „Kinderlust 
im Frühling" („Nun feget aus den alten Staub und macht die Laube blank") 
ist eine Perle unter den Kinderliedern. Ein munteres, echt volkstümliches 
und frisches Lied ist: „Der Wanderer". („Der Mai ist auf dem Wege, der Mai 
ist vor der Tür" rc.), und aus dem überaus kräftigen und frohen Morgenliede: 
„Wecker Wind" („Wer schlägt so rasch an die Fenster mir mit schwanken, grünen 
Zweigen?") erkennt man, wie recht Barthel hat, wenn er sagt, daß man aus den 
Liedern Müllers die aus des Dichters innerstem Herzen kommende 
heitere Fröhlichkeit und gemütliche Lebenslust spüre. 
1. Das Frühlingsmahl. 
1. Wer hat die weißen Tücher 
Gebreitet über das Land, 
Die weißen, duftenden Tücher 
Mit ihren: grünen Rand? 
4. Er hat gedeckt die Tische 
In seinem weiten Saal 
Und ruft, was lebet und webet, 
Zum großen Frühlingsmahl. 
2. Wer hat darüber gezogen 
Das hohe, blaue Zelt, 
Darunter den bunten Teppich 
Gelagert über das Feld? 
5. Wie strömlls aus allen Blüten 
Herab von Strauch und Baum! 
Und jede Blü6 ein Becher 
Voll süßer Düfte Schaum! 
3. Er ist es selbst gewesen, 
Der gute, reiche Wirt 
Des Hinnnels und der Erdei:, 
Der nimmer ärmer wird. 
6. Hört ihr des Wirtes Stimme? 
„Heran, was kriecht und fliegt, 
Was geht und steht auf Erden, 
Was unter den Wogen sich wiegt!" 
7. Und du, mein Himmelspilger, 
Hier trinke trunken dich 
Und sinke selig nieder 
Aufs Knie und denk' an mich! 
2. Fnihlingseinzug 
1. Die Fenster auf, die Herzen auf! 
2. Die Fenster auf, die Herzen auf! 
Geschwinde, geschwinde! 
Der alte Winter will heraus, 
Er trippelt ängstlich durch das Haus, 
Er windet bang sich in der Brust 
Und kramt zusammen seinen Wust 
Geschwinde, geschwinde! 
Er spürt ben Frühling vor dem Tor, 
Der will ihn zupfen bei dem Ohr, 
Ihn zausen an dem weißen Bart 
Nach solcher wilden Buben Art, 
Geschwinde, geschwinde! 
Geschwinde, geschwinde!
	        
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