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Fluidum herrühren, das seinen Sitz in den Atomen oder um die¬
selben hat. Beide geheimen Stoffe sind zweifacher Natur: im Magne¬
tismus nennen wir sie Nord- und Süd-Magnetismus, in der Elek¬
tricität bezeichnen wir sie durch positive und negative Elektricität. Am
Magneten stößt der Nordpol den Nordpol ab, wie der Südpol den 5.
Südpol, während der Nordpol des einen Magneten und der Süd¬
pol des andern Magneten sich gegenseitig anziehen; in der Elektricität
ist es ebenso. Die Elektricitäten gleichen Namens stoßen sich ab,
die ungleichnamigen ziehen sich an. Es liegt hiernach sehr nahe,
beide geheimen Kräfte der Natur als eine einzige zu betrachten, die nur 10.
durch eigene Umstände anders erscheinen, ohne im Wesen anders zu sein.
Gleichwohl ergibt eine nähere Betrachtung einen ungeheuren
Unterschied.
Wenn nran mit einen: Magneten einen zweiten Stahlstab
magnetisch macht, so geht vom ersten Magneten hierbei nichts ver- 3 5.
loten. Er bleibt magnetisch wie er gewesen. Er hat von seinen:
Magnetismus nichts abgegeben. Der neue Magnet hat nicht einen
Theil vom alten in sich aufgenommen. Der Magnetismus haftet
fest in dem Magneten und entfernt sich nicht daraus und ver¬
mindert sich nicht, selbst wenn man unendliche Massen von Eisen 20.
damit magnetisch u:acht.
Ganz anders aber ist es mit der Elektricität. Aus dem ge¬
riebenen Glasstab, der geriebenen Siegellackstange sieht n:an schon
etwas überspringen in den Körper, womit man ihnen naht. Ein
Funke bricht sich Bahn durch die Luft, die noch beide Gegenstände 25.
trennt, und das Hollundermark-Kügelchen, das den Funken in sich
aufgenon:men, hat Elektricität empfangen und eine gewisse Summe
aus dem Glasstab oder der Siegellackstange herausgezogen. — In
der That ist die geriebene Glasstange, der geriebene Siegellack ge¬
rade um den einen Theil der Elektricität, den er abgegeben hat, 30.
schwächer geworden. Ja, man kann ihnen die ganze Elektricität
nehmen, wenn man auch nur einmal mit der feuchten Hand über
das Glas oder den Siegellack wischt. Die Elektricität geht 'hierbei
in die Hand über und hat sich von dem Glase und dem Siegel¬
lack ganz und gar fortbegeben. 35.
Dies allein zeigt schon, daß die Elektricität ein anderes Wesen
sein muß, als der Magnetismus. Bemerkt man aber gar, wie die
Elektricität mit einer gewissen Energie überspringt von dem einen
Körper zum andern, wie ein bloßer geriebener Lampen-Cylinder einen
Theil seiner Elektricität, bevor noch der Knöchel eines Fingers ihm 40.
nahe kommt, einen knisternden Funken aussendet, der oft einen Zoll
Raum überspringt, um in den Finger zu fahren, so entninunt man
schon hieraus, daß die Elektricität, wenn sie an einem Körper erzeugt
ist, nur darauf lauert sich von ihn: zu entfernen, und sich auch
sofort entfernt, wenn sie einen Körper findet, der sie aufnimmt. 45.
Wir wollen nun einmal diese sonderbare Eigenschaft der Elek¬
tricität etwas näher betrachten; denn aus dieser entspringen höchst
wunderbare Eigenschaften und die merkwürdigsten Erscheinungen,
die überhaupt im Reiche der Natur uns entgegentreten.
Mager, Deutsches Elcmentarwcrk. I. 2. Zehnte Aufl. ZI