100 Das Mittelalter.
Verschiedenheit 8. Lebensführung. Die Verbesserung der Lage ganzer Stände und
derselben. Vorbild der romanischen Völker hatten seit der Ottonenzeit eine Hebung
der allgemeinen Lebensführung verursacht. Sie war nach Stand und Besitz
verschieden. Der reiche Fürst und Ritter, der nur mäßig begüterte Dienst-
manne, der Patrizier in den aufblühenden Städten, der Zunftgenosse, der
freie und der Erbpachtbauer, der vermögliche und der arme Hörige, sie alle
aßen und tranken, wohnten und kleideten sich anders.
Nahrung. Die Nahrung setzte sich bei allen Ständen der Hauptsache nach aus
Getreidekost (Brei und Brot), Gemüse, Kohl, Hülsenfrüchten, Käse und
Dörr- oder Salzfleisch (vom Schwein und Schaf) zusammen. Die Wohl-
habenden freilich zogen das Weißbrot vor, das man mit Pfeffer und Honig
würzte. Die anderen aßen Brot aus Hafer-, Roggen- und Gerstenmehl,
Fleisch. und zwar gewöhnlich mit Kleie vermischt. Sich jederzeit „grünes" Fleisch von
zahmem Vieh zu verschaffen, vermochte auch der reiche Grundherr nicht. Wohl
aber lieferten solches den Bewohnern der größeren Städte die dort eingerichteten
Fleischbänke, häufig auch das gemeinsame Schlachten, wo jeder, der seinen Bei-
trag einbezahlt hatte, einen Anteil vom Fleisch erhielt. So war z. B. Rinder-
braten ein höchst seltenes Gericht auf der Tafel des Burgherrn, nicht aber
auf dem des Städters. Aber jener hielt sich dadurch einigermaßen schadlos,
daß er Wildbret und Fische genoß. Von dem irrigen Grundsatz ausgehend,
daß alle Bauern ursprünglich grundherrliches Hofgesinde gewesen wären,
und aller Grund und Boden der Obrigkeit und ihren Lehnsmannen gehört
habe, hatten die Grundherren den Wildbann auch auf den Fluren und in
den Holzungen der Bauern und die Nutzung der Gewässer in ihren Besitz
gebracht. Das ging so weit, daß man jenen den Genuß von Fisch und Wild
geradezu verbot. Das am Spieße gebratene Geflügel wurde mit einer
scharfen Pfefferbrühe gegeben, wie man überhaupt die einheimischen wie die
Gewürze, durch den Levantehandel eingeführten fremden Gewürze (Pfeffer, Muskatnuß,
Muskatblüte, Zimt, Kardamon, Nägelein und Ingwer) so liebte, daß man
nach der Mahlzeit noch ein Stückchen auf die Zunge nahm. Butter kam
noch wenig in Verwendung. Gern speiste man vor allem auch Hühner, die
die Zinsbauern liefern mußten. In den Städten verzehrten die Wohl-
mals schon Papiergeld. In Deutschland, wo im Rhein Waschgold gewonnen, und
in den Alpen und im Fichtelgebirge auf dieses Metall geschürft wurde, schlug man
erst im 14. Jahrhundert Goldstücke. Um der Münzunordnung entgegenzutreten, setzten
die Handelsstädte die Annahme des Kölner Gewichtes durch. Nach ihr wog das
Pfund 466 gr; die Hälfte, die Mark (233 gr), wurde die Grundlage des Geldwesens.
Zuerst in Tours und dann in Prag prägte man vollwichtiges Geld (nummi grossi
turenses, Groschen) (vgl. die Prager Groschen Tas. XV). Für den Kleinverkehr
kamen seit dem 12. Jahrhundert die sog. Brakteaten (Hohl- oder Schüsselmünzen)
auf. Sie trugen nur eine Prägung und wiesen keine Jahreszahl auf. Da sie
verschieden groß waren, bezahlte man mit ihnen gewichtweise (vgl. Brakteat Kaiser
Friedrich I Tas. VII). Meisthin wurden sie so verschlechtert, daß man sie im Auslande
zurückwies. — Der Zinsfuß für kurzfristige freie Darlehen war äußerst hoch, er durfte
gesetzlich bis 33,3 und 45 v. H. des geliehenen Kapitals („Hauptgeldes") gehen, m einer
Stadt sogar auf 86 v. H. Langfristige Kapitalleihen, z. B. als Grundschulden (Hypo-
theken) trugen 10 v. H. Diese Art Beleihung wurde in der Weise vorgenommen,
daß der Verleiher das Gut kaufte, aber nicht übernahm, und der Borgende dafür
eine Rente bezahlte.