Full text: Erläuterungen zu Ad. Lehmanns Kulturgeschichtlichen Bildern und Ergänzung zu jedem Geschichtslehrbuch (H. 6)

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ihnen das Zeigen der Fahne Gefahr bringt. Die Hamburger Schiffe 
führen als Flagge einen roten Flüger (d. i. eine schmale, lange 
Fahne, oben am Mast befestigt). Lübeck trägt die Farben Rot 
und Weiß geteilt, Riga Schwarz mit weißem Kreuz. Die Wappen¬ 
banner sind eine Neuheit gegenüber den Flügern. Während die 
Schiffe der Hansestädte das Stadtwappen zeigen, führen nicht- 
hansische Schilfe das Landeswappen. 
Selbstverständlich tragen die Schiffe auch bereits Namen. Unter 
ihnen stehen die religiösen weitaus an erster Stelle. Besonders 
bevorzugt wird bei der Namenwahl die Mutter Gottes, nächst ihr 
Ohristofer, Wie dieser Heilige das Christuskind ungefährdet durch 
die Flut getragen, so soll er auch das ihm geweihte Schiff sicher ge¬ 
leiten. Tiernamen werden nur ganz selten verwandt. Aber Länder- 
und Tagesnamen, gelegentlich auch Eigennamen kommen vor. 
Das am Ladeplatz liegende Frachtschiff ist vor etlichen Tagen 
im Hafen angelangt und hat eine längere Fahrt hinter sich. Die 
Zeitdauer der Seereise hängt noch ganz von den Windverhältnissen 
ab. Bei der ganzen Bauart der Schiffe ist schnelle Fahrt ausge¬ 
schlossen. Sie ist auch nicht beabsichtigt. Für die Strecke Ant¬ 
werpen oder Brügge bis Hamburg brauchte man öfters 11, selbst- 
IS Tage, zwischen Lübeck und Bergen gewöhnlich 3—4 Wochen, 
zwischen Lübeck und Danzig 8, zwischen Lübeck und Reval 12 
Tage. Bei günstigem Winde aber legt das Schiff gelegentlich 
bedeutende Entfernungen in auffallend kurzer Zeit zurück. So ist 
die Strecke zwischen Lübeck und Bergen mitunter einmal in 9, 
zwischen Lübeck und Danzig in 4, zwischen Lübeck und Reval in 
6 Tagen durchfahren worden. 
Die Schiffsbesatzung freut sich auf die Hafeneinfahrt und die 
darauf folgende Ruhezeit. Vor allem atmet der „Schiffer“, d. i. 
der Kapitän, erleichtert auf, wenn der ihm entgegenfahrende Lotse, 
den es im 15. Jahrhundert schon an jedem Hafenplatz des hansi¬ 
schen Verkehrs gibt, die Führung des Schiffes übernimmt. (1447 
machte die Hansa ihren Schiffern zur Pflicht, sich von Berufs¬ 
lotsen, des Fahrwassers kundigen Leuten, zum Hafen herein- und 
hinausgeleiten zu lassen.) 
Denn die auf dem „Schiffer“ lastende Verantwortung ist groß. 
Er bekleidet einen Vertrauensposten, der einen ganzen Mann er¬ 
fordert. Hart und unerschrocken, geistesgegenwärtig und von kalter 
Überlegung muß er sein. Seine Reeder und Kaufherren erwarten
	        
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