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nicht allein im weiteren Innern, sondern sogar auf der Küste und selbst bei Fanatikern
und Christenhassern ein so ausgezeichneter, daß jeder, der jahrelang auf der Nord¬
küste gewohnt hat und also weiß, daß vielfach nicht gerade die Elite der europäischen
Bevölkerung jene Länder zum Schauplatz ihrer Tätigkeit wählt, sich des höchsten
Staunens nicht erwehren kann. Auch in Bornu erzählte man sich mit Verwunderung,
daß wir merkwürdigerweise niemals die Unwahrheit sagten und sklavisch an
unseren Versprechungen festhielten.
18. Die Künsche Nehrung.
Friedrich Lindner, Die Preußische Wüste einst und jetzt. Bilder von der kurischen Nehrung.
Osterwieck (Harz) 1898. S. 20 ff.
Bald hinter Sarkau, nachdem man noch etwa eine Stunde lang in dem immer
dürftiger werdenden, zuletzt ganz aufhörenden Walde (der Sarkauer „Plantage")
gewandert ist, beginnt die eigentliche Wüste, eine wirkliche, echte Wüste, im ver¬
wegensten Sinne des Wortes! Sand und immer wieder Sand! Meilenweit kein
Baum und Strauch. Nur stellenweise auf dem zwischen der dem Seestrand in einer
Entfernung von ca. 30 Schritten seiner ganzen Länge nach parallel laufenden
15-40 Fuß hohen Vordüne und den hohen Binnendünen gelegenen flachen, nur
von kleinen, einige Fuß hohen Erhebungen unterbrochenen sogenannten „Kupsten-
terrain" treffen wir einen äußerst dürftigen, kaum bemerklichen Graswuchs an.
Haffwärts erhebt sich, von der Seeseite sanft aufsteigend, nach der Haffseite zu oft
überraschend steil abfallend, die Binnen- oder Wanderdüne, die von Sarkau an
bis zur Nordspitze der Nehrung einen, nur an wenig Stellen unterbrochenen,
wellenförmig verlaufenden Zug darstellt, dessen höchste Gipfel bis zu 200 Fuß
über den Meeresspiegel emporragen. Es sind die höchsten Dünen der ganzen Welt!
Heiß brannte die Augustsonne vom wolkenlosen Himmel auf uns hernieder,
als wir in die Wüste hineintraten. Ringsum Totenstille und Sonnenbrand, links
von uns am westlichen Rande der „Platte", bezw. des Kupstenterrains die Vor¬
düne, die uns den Blick aufs weite Meer verbirgt, rechts der hohe Wall des
Dünenkamms, auf beiden Seiten und vor uns nichts als Sand, der blendende,
lose Sand, in den wir bis an die Knöchel einsinken, Fußspuren zurücklassend, die
erst der nächste Wind wieder verwehen wird. Unwillkürlich haftet der ermüdende
Blick an der in schreckhafter Ruhe aufsteigenden, völlig kahlen und in trostloser
Ode und schier endlos scheinender Ausdehnung sich nordwärts ziehenden Dünen¬
kette, jenseits welcher das Haff liegt. Es ist eine wunderbare Welt, in die wir
hineingeraten sind, wir, die einzigen Menschen weit und breit. Ein eigentümliches
Gefühl von weltverlassener Einsamkeit überkommt uns. Wie, wenn in dieser Wüste,