Full text: Deutsches Lese- und Bildungsbuch für katholische Schullehrer-Seminare

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48. Die Worte des Glaubens. 
Fr. v. Schiller. 
1. Drei Worte nenn' ich euch, inhalt- i 
schwer, 
5 Sie gehen von Munde zu Munde; 
Doch stammen sie nicht von außen her, 
Das Herz nur giebt davon Kunde. 
Dem Menschen ist aller Wert geraubt, 
Wenn er nicht mehr an die drei Worte 
iv glaubt. 
2. Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, 
Und würd' er in Ketten geboren. 
Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei, 
Nicht den Mißbrauch rasender Thoren! 
15 Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht, 
Vor dem freien Menschen erzittert nicht! 
3. Und die Tugend, sie ist kein leerer 
Schall, 
Der Mensch kann sie üben im Leben, 
20 Und sollt' er auch straucheln überall, 
Er kann nach der göttlichen streben, 
Und was kein Verstand der Verständigen sieht, 
Das übet in Einfall ein kindlich Gemüt. 
4. Und ein Gott ist, ein heiliger Wille 
lebt, 
Wie auch der menschliche wanke; 
Hoch über der Zeit und dem Raume webt 
Lebendig der höchste Gedanke, 
Und ob alles in ewigem Wechsel kreist, 
Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist 
5. Die drei Worte bewahret euch, inhalt" 
schwer, 
Sie pflanzet von Munde zu Munde, 
Und stammen sie gleich nicht von außen her, 
Euer Innres giebt davon Kunde. 
Dem Menschen ist nimmer sein Wert ge" 
raubt, 
So lang' er noch an die drei Worte glaubt. 
49. Hoffnung. 
Fr. v. Schiller. 
1. Es reden und träumen die Menschen 
viel 
25 Von bessern künftigen Tagen; 
Nach einem glücklichen, goldenen Ziel 
Sieht man sie rennen und jagen. 
Die Welt wird alt und wird wieder jung, 
Doch der Mensch hofft immer Verbesserung. 
30 2. Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein, 
Sie umflattert den fröhlichen Knaben, 
Den Jüngling locket ihr Zauberschein, 
Sie wird mit dem Greis nicht begraben; 
Denn beschließt er im Grabe den müden Law, 
Noch am Grabe pflanzt er — die Hoff" 
nung auf. 
3. Es ist kein leerer, schmeichelnder Wahn, 
Erzeugt im Gehirne des Thoren; 
Im Herzen kündet es laut sich an: 
Zu was Besserm sind wir geboren; 
Und was die innere Stimme spricht, 
: Das täuscht die hoffende Seele nicht. 
50. Das rechte Maß. 
Fr. Rückert. 
3b Thu, was du kannst, und laß das andre dem, der's kann; 
Zu jedem Werk gehört ein ganzer Mann. 
Zwo Hälften machen zwar ein Ganzes, aber merk: 
Aus halb und halb gethan entsteht kein ganzes Werk. 
Wer halb und halb gesund, der mag nur krank sich nennen, 
40 Und gar nicht kennen wir, was halb und halb wir kennen; 
Wenn etwas Ganzes würd' aus noch so vielen Halben, 
Ganz gut! Es wimmelt jetzt von Halben allenthalben.
	        
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