Full text: Deutsches Lese- und Bildungsbuch für katholische Schullehrer-Seminare

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in meiner Kammer." Ludwig befahl sogleich einer Jungfrau, den Mantel zu holen. 
Sie fand denselben wirklich in der Kleiderkammer und brachte ihn. Da dankte Elisa¬ 
beth Gott, weil sie deutlich erkannte, daß jener Arme der Heiland selbst gewesen, 
der ihr wie einst dem frommen Kriegsknecht Martinus erschienen war, um ihre Mild¬ 
thätigkeit zu prüfen, und der sie nun durch ein neues Wunder belohnt hatte. Jener 
Mantsl war himmelblau. Aus demselben wurde ein Meßgewand verfertigt, welches 
man noch lange im Barfüßerkloster am Fuße der Wartburg aufbewahrt hat. 
Die Ehe Elisabeths, welche Gott mit vier Kindern segnete, war sehr glücklich; 
denn die Liebe der beiden Eheleute zu einander wurzelte in der Liebe zu Gott. Leider 
dauerte das Glück nicht lange. Schon nach sieben Jahren starb der fromme Land¬ 
graf auf einem Kreuzzuge nach Palästina. Sein Bruder maßte sich nun die Herr¬ 
schaft an und verstieß die junge Witwe samt ihren Kindern mitten im Winter aus 
dem Schlosse. Längere Zeit irrte die edle Frau ohne bestimmtes Obdach umher und 
wußte oft nicht, woher sie Brot nehmen sollte, um den Hunger ihrer Kleinen zu stillen. 
Himmlische Erscheinungen und Tröstungen gaben ihr aber Mut und Kraft, das schwere 
Kreuz mit Ergebung zu tragen. Durch die zurückgekehrten Kreuzritter aus dem Ge¬ 
folge ihres verstorbenen Gemahls wieder in ihre Rechte eingesetzt, wählte sie die 
Stadt Marburg in Hessen zu ihrem Witwensitze; aber nicht im fürstlichen Schlosse 
schlug sie ihre Wohnung auf, sondern in einem ärmlichen Häuschen. Hier diente sie 
Gott mit Beten, Fasten und Bußwerken. Ihr Einkommen gehörte ganz den Not¬ 
leidenden; zugleich baute sie ein Spital, ähnlich dem früher in Eisenach errichteten. 
Da sah man sie Tag und Nacht die Kranken pflegen. Als es mit ihr zum Sterben 
kam, war sie ganz voll Jubel. Sie war erst vierundzwanzig Jahre alt, als sie am 
10. November 1231 vom Herrn in die Seligkeit abgerufen wurde. 
F. Anekdoten und Schwänke. 
40. Seltsamer Spazierritt. 
I. P- Hebel. 
Ein Mann reitet auf seinem Esel nach Hause und läßt seinen Buben zu Fuß neben¬ 
her laufen. Kommt ein Wanderer und sagt: „Das ist nicht recht, Vater, daß Ihr reitet 
und laßt Euren Sohn laufen; Ihr habt stärkere Glieder." Da stieg der Vater vom Esel 
herab und ließ den Sohn reiten. Kommt wieder ein Wandersmann und sagt: „Das 
ist nicht recht, Bursche, daß Du reitest und lässest Deinen Vater zu Fuß gehen. Du 
hast jüngere Beine." Da saßen beide auf und ritten eine Strecke. Kommt ein dritter 
Wandersmann und sagt: „Was ist das für ein Unverstand, zwei Kerle auf einem 
schwachen Tiere! Sollte man nicht einen Stock nehmen und Euch beide hinabjagen!" 
Da stiegen beide ab und gingen selbdritt zu Fuß, rechts und links der Vater und Sohn 
und in der Mitte der Esel. Kommt ein vierter Wandersmann und sagt: „Ihr seid drei 
wunderliche Gesellen. Jst's nicht genug, wenn zwei zu Fuße gehen? Geht's nicht leichter, 
wenn einer von Euch reitet?" Da band der Vater dem Esel die vorderen Beine 
zusammen, und der Sohn band ihm die Hinteren Beine zusammen, zogen einen 
starken Baumpfahl durch, der an der Straße stand, und trugen den Esel auf der 
Achsel heim. 
So weit kann's kommen, wenn man es allen Leuten will recht machen. 
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