Full text: Deutsche Geschichte bis zum Ausgang des Mittelalters (Teil 1)

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die Ehrfurcht gegen diese war sehr groß. Die Ahnung einer unsichtbaren, un¬ 
endlichen Kraft, welche die Welt regiert, war so lebhaft in ihnen, daß sie sich 
nicht entschließen konnten, die Götter in Tempel einzuschließen und sie dort zu 
verehren. Auch Götzenbilder mit menschlichem Antlitz hatten sie nicht. Die 
Stätten ihrer Gottesverehrung waren heilige Haine mit uralten, gen Himmel 
strebenden Bäumen und mit dem erhabenen blauen Himmelsgewölbe darüber; 
an rauschenden Strömen, auf weitblickenden Höhen und in schauerlichen Wald¬ 
schluchten schlugen sie ihre Altäre auf. Das Rauschen des Windes in den 
Laubkronen der Waldriesen, das Murmeln der Quelle am Wegrande und der 
heulende Sturm waren ihnen Stimmen der Gottheit. 
Aufgabe: Erzähle über die Stätten der Gottesverehrung! 
b) Art und Weise der Gottesverehrung. Um sich der Götter 
Gunst zu erwerben, brachten ihnen die Deutschen Opfer dar. Im Innern des 
heiligen Ortes, wo einige Bäume, namentlich die Eichen, besonders geheiligt 
waren, befand sich der von Stein geschichtete, etwas ausgehöhlte Opferaltar 
und der verhüllte Götterwagen; hier waren die geopferten Tierhäupter und 
die Kriegsbeute aufgehängt; ihm durfte nur der Priester frei, jeder andere nur 
gefesselt nahen. Auf dem Altar wurden beim Dankopfer Blumen und 
Früchte geopfert; beim Sühnopfer aber mußte Köstlicheres dargebracht werden: 
das Blut edler Tiere ohne Fehl, namentlich solcher von weißer Farbe, be¬ 
sonders als das vornehmste das Blut des edlen Pferdes. In Kriegszeiten 
mußten gewöhnlich viele gefangene Feinde auf dem Opferaltare verbluten. 
Nach dem Opfer wurde ein frohes Mahl gehalten, wobei die Teilnehmer einen 
Teil des Opferfleisches verzehrten. Menschenopfer wurden jedoch vollständig 
verbrannt, nicht verzehrt. Die Schädel der geopferten Tiere befestigten sie 
dann im Heiligtume, wohl auch über der Tür oder im Innern des Hauses. 
Aufgabe: Erzähle, wie die alten Deutschen ihre Götter verehrten! 
c) Der Götterglaube. Die Deutschen liebten die freie Natur über 
alles. So kam es, daß ihnen die Naturkräfte nach und nach zu Göttern ge¬ 
worden waren. Wie nun draußen in der Natur der Frühling mit dem Winter, 
das Morgenrot des jungen Tages mit der Nacht um die Herrschaft ringt, so 
dachte man sich auch die Götter in stetem Kampfe: im Kampfe mit Riesen, 
im Kampfe auch untereinander. 
Sie beteten die Sonne an, weil deren Strahl die Eisdecke des Winters 
sprengt und neues Leben in Wald und Feld hervorruft. Sie verehrten den 
Mond, dessen sanftes Licht die langen Winternächte erhellt und dem müden 
Wanderer den Weg zur Heimat zeigt. 
Der höchste Gott war Wodan, der Himmelsgott. Er hieß auch Wuotau 
oder Odin. Ihn stellte man sich einäugig vor, wie der Himmel ja auch nur 
Kornrumpf, Handbuch rc. I. 2
	        
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